Delegierte Verordnung: Die EU-Kommission nimmt Standards zur Berichterstattung von Nachhaltigkeitsaspekten an

Lesezeit: 6 Minuten

Am 31. Juli 2023 hat die EU-Kommission die ersten Standards (ESRS) für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (EU 2022/2464 (CSRD) angenommen. Dieser Beschluss hat Auswirkungen auf zahlreiche Unternehmen, wobei das Thema längst nicht mehr nur Unternehmen betrifft, die einer gesetzlichen Berichtspflicht unterliegen.

Die CSRD – Berichtspflichten zum Thema Nachhaltigkeit

Die CSRD-Richtlinie konstituiert Anforderungen an Unternehmen hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Während die bislang geltende NFRD-Richtline 2014/95 (Non Financial Directive bzw. „CSR-Richtlinie“) sich nur auf „große“ Unternehmen bezog, enthält die aktuelle CSRD-Richtlinie auch Anforderungen für „kleine“ und „mittlere“ Unternehmen (KMU).*

Seit dem Inkrafttreten der CSRD-Richtlinie am 01. Januar 2023 steht grundsätzlich fest, dass Unternehmen innerhalb der EU im Jahr 2025 Informationen zum Thema Nachhaltigkeit für das Berichtsjahr 2024 veröffentlichen müssen. Je nach Größe des Unternehmens gelten die Berichtsanforderungen jedoch nicht für alle Unternehmen gleichzeitig. So wird den KMU die Möglichkeit eines Aufschubs gewährt (vgl. Art. 19a (7) CSRD), während Kleinstunternehmen sogar gänzlich vom Anwendungsbereich ausgenommen sind.

Große Unternehmen, die bereits nach der NFRD berichtspflichtig waren (> 500 Mitarbeiter), machen den Anfang für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01. Januar 2024 beginnen. Es folgen große Unternehmen (> 250 Mitarbeiter) mit dem Beginn des Geschäftsjahres am oder nach dem 01. Januar 2025. Kleine (> 50 Mitarbeiter) und mittlere (> 250 Mitarbeiter) Unternehmen müssen erst die Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01. Januar 2026 beginnen, berücksichtigen.*

Um die Anwendbarkeit korrekt ermitteln zu können, sind jeweils zusätzlich zu der Mitarbeiterzahl die nach Art. 3 der Bilanzrichtlinie festgelegten Bilanzsummen und Nettoumsatzerlöse anzusetzen.

Delegierte Verordnung: Die Berichtsstandards

Die ersten europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung wurden mit der Delegierten Verordnung der EU-Kommission vom 31.07.2023 festgelegt (European Sustainability Reporting Standards, ESRS). Dieser Rechtsakt wird durch eine Zahl von Anhängen ergänzt. Die Anhänge enthalten u. a. bereichsübergreifende Standards und Standards für die Offenlegung von Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG).

Weitere Verfahrensschritte in den EU-Gremien

Der Prüfungszeitraum für den von der EU-Kommission angenommene Rechtsakt durch das Europäische Parlament und den Europarat beträgt zwei Monate und kann um weitere zwei Monate verlängert werden. Wichtig: Sowohl das Europäische Parlament als auch der Europarat können die Delegierte Verordnung zwar ablehnen, sie aber nicht ändern.

Börsennotierte KMU werden die Möglichkeit haben, ihre Berichtspflichten im Rahmen der CSRD zu erfüllen, indem sie nach gesonderten, verhältnismäßigen Standards Bericht erstatten, welche die Kommission bis Ende Juni 2024 bekanntgeben will.

Umsetzung in den Mitgliedsstaaten

Die CSRD (EU Rl 2022/2464) wurde am 16.12.2022 veröffentlicht. Die Umsetzung der CSRD in deutsches Recht muss daher bis zum 06. Juli 2024 erfolgt sein.

Standards auf internationaler Ebene – ERFRAG contra ISSB

Auf internationaler Ebene entwickelt das International Sustainability Standards Board (ISSB) derzeit parallel zur EFRAG weltweit einheitliche Standards für die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen – sogenannte “International Financial Reporting Standards” (IFRS).

Ende Juni 2023 veröffentlichte das ISSB die Allgemeinen Anforderungen des IFRS S1 für die Offenlegung nachhaltigkeitsbezogener Finanzinformationen und die IFRS S2 „Klimabezogene Angaben“. Eine hohe Interoperabilität der Standards der EFRAG und der ISSB wurde und wird dabei angestrebt.

Bei Verstößen drohen Sanktionen

Die Mitgliedstaaten wurden bereits in der Bilanzrichtlinie aus 2013 dazu aufgeru­fen, „abschreckende Sanktionen“ festzulegen, um die Einhaltung der Berichtspflichten zu gewähr­leisten.

In Deutschland sind Sanktionen bei Fehlern u. a. im Lagebericht des Deutschen Handelsgesetzbuches (HGB) aufgenommen, so z. B. in § 331 (1) Nr. 1 HGB (Basis: CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz (CSR-RUG) aus 2017, siehe Art. 1)). Hiernach werden diejenigen, die die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft im Lagebericht einschließlich der nichtfinanziellen Erklärung unrichtig wiedergeben oder verschleiern, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe belegt.

Bußgeldrisiken sind aktuell in § 334 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 HGB aufgenommen. Eine Ordnungswidrigkeit begeht hiernach, wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft Verstöße gegen die Vorschriften zur nichtfinanziellen Berichterstattung (§§ 289 ff. HGB) begeht.

Für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i. S. § 264d HGB können Geldbußen bei bis zu zehn Millionen Euro, fünf Prozent des jähr­lichen Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahrs oder dem Zweifachen des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils liegen.

Neben straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen können unrichtige Angaben im Lagebericht darüber hinaus auch zu wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen und zu Imageschäden führen.

Unternehmen ohne unmittelbare Berichtspflicht

Seit langem zeigt sich zudem der Trend, dass auch Unternehmen, die unterhalb bestimmter Schwellenwerte wie Mitarbeiteranzahl oder Bilanzsumme/Nettoumsatzerlösen liegen, praktisch indirekt durch das Thema Nachhaltigkeit betroffen, wenn nicht sogar übermäßig belastet sind.  

So müssen inzwischen nahezu alle Unternehmen diverse Fragen zum Thema Nachhaltigkeit von Kunden, Zulieferern und sonstigen Fremdunternehmen/Vertragspartnern beantworten. Dies ist  allein schon aufgrund der Vielzahl der Begrifflichkeiten und deren Abkürzungen nicht immer leicht.

Damit Unternehmen sich entlang der Lieferkette auch zukünftig verstehen, müssen sie sich in einer gemeinsamen Sprache unterhalten können. Kürzel wie CBAM, CSRD, CSDDD, ESG, EFRAG, EUDR, EMAS, ESMA etc. sollten daher jedem Wirtschaftsakteur geläufig sein.
Andernfalls laufen sie Gefahr, nicht mit ihren Kunden und Wettbewerbern Schritt halten zu können.

Risk Control & Engineering (RCE) steht Unternehmen als Partner zur Seite

Die Experten von Aon navigieren Unternehmen gerne durch die stürmische See der Begrifflichkeiten, damit sie das Wesentliche oder auch – wie Fortgeschrittene unter Ihnen wissen – die „doppelte Wesentlichkeit“ – erkennen.

Mehr über Inhalte, Pflichten und Fristen zu den hier aufgeführten Regelungen, erfahren Sie in diversen spannenden RCE-Workshops, „Sprachkursen“ zum Thema Nachhaltigkeit sowie in zielführenden Einzelgesprächen.

Interessenten können sich gerne jederzeit an Martina Dinnis wenden, die Unternehmen gemeinsam mit einem engagierten Team persönlich zu Themen der Nachhaltigkeit berät.


* Definitionen zu den Unternehmenskategorien und die Definition zu „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ können der Bilanz-Richtlinie EU Rl 2013/34 entnommen werden.


ESG

Regierungen, Unternehmen und Zivilgesellschaften stehen vor immer größer werdenden Herausforderungen: Sie alle sind aufgefordert, ihr Handeln so auszurichten, dass ein menschenwürdiges Leben überall auf der Welt möglich ist und die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft bewahrt werden. Diese Handlungsmaxime umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte, auch bekannt als die sogenannten ESG-Kriterien.

ESG, das ist der Dreiklang aus Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung).

Der Bereich Environment beinhaltet Themen wie Umweltschutz, Energieeinsparung oder Entsorgung und Recycling.


Der Faktor Social beschäftigt sich unter anderem mit Chancen- und Lohngleichheit, sozialem Engagement oder der Einhaltung von Menschenrechten.


Governance legt den Fokus auf Transparenz und eine nachhaltige Unternehmensführung, unter anderem auch in der Finanzierung.

Nachhaltigkeit betrifft heute also nicht nur Umweltaspekte, sondern wird weitaus breiter gedacht.


Beitrag teilen

Kontakt aufnehmen

Martina Dinnis
Senior Risk Consultant I Risk Control & Engineering
+49 40 3605-3139

2 Kommentare

  1. Der Entschließungsantrag wurde abgelehnt. Das Gesetzgebungsverfahren ist mit Ablauf der Einspruchsfrist am 21.10.23 beendet (Status: „delegated act enters into force“). Damit können die 12 ersten Sets der ESRS Standards aus der delegierten Verordnung vom 31.07.23 gültig werden.
    PS: In einem Entwurf der EU Kommission vom 17.10.23 wird eine Verschiebung der Anwendbarkeit sektorspezifischer ESRS von 2024 auf 2026 angeregt. Die Konsultation ist bis 19.12.23 geöffnet.
    PPS: In einem Meeting vom 25.10.23 hat die EFRAG den Entwurf einer Übersicht aller 1178 Datenpunkte zu Set 1 veröffentlicht; nur knapp 300 sind freiwillig…

Kommentar verfassen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 − eins =