DCGK-Fassung 2020 – Verzicht der Selbstbehaltsempfehlung für Aufsichtsräte – Streichung schnell vollziehen oder zuvor intern prüfen?

Lesezeit: 4 Minuten

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) setzt die Leitplanken für gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung börsennotierter Gesellschaften. In seiner Fassung vom 16.12.2019, die am 20.03.2020 in Kraft trat, ändert der Kodex seine Empfehlung, Selbstbehalte für Aufsichtsräte analog dem Vorstand zu vereinbaren, indem er die Regelung streicht. Viele Unternehmen nahmen und nehmen dies zum Anlass, ihre Selbstbehaltspraxis zu überdenken oder die Streichung direkt zu vollziehen – ein übereiltes Vorgehen? Wir haben mit Judith Hebel, Broking Specialist Financial Lines bei Aon, gesprochen und sie nach ihrer Einschätzung befragt.

Wie ist die DCGK-Empfehlung zu verstehen?

Judith Hebel: Hier geht es nicht um die Idee einer Verhaltenssteuerung für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (AG) durch den definierten Pflichtselbstbehalt in der D&O-Versicherung. Bei dem Selbstbehalt für Aufsichtsratsmitglieder handelt es sich vielmehr um eine reine Empfehlung, die jede börsennotierte Gesellschaft in ihrer Unternehmensführung als Regel individuell aufnehmen kann.

Welches Vorgehen empfiehlt der DCGK bei Selbstbehalten seit seiner ersten Veröffentlichung?

Judith Hebel: Seit der erstmaligen Veröffentlichung im Jahr 2002 fand sich im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) in Ziffer 3.8 gemäß der Regierungskommission nachfolgende Empfehlung:

„Vorstand und Aufsichtsrat beachten die Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung. Verletzen sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. Aufsichtsratsmitglieds schuldhaft, so haften sie der Gesellschaft gegenüber auf Schadenersatz. Schließt die Gesellschaft für Vorstand und Aufsichtsrat eine D&O-Versicherung ab, so soll ein angemessener Selbstbehalt vereinbart werden.“

Warum überdenken viele börsennotierten Gesellschaften ihre vereinbarten Selbstbehalte?

Judith Hebel: Die Angemessenheit bzw. die Höhe des Selbstbehalts ist jeder AG selbst zu überlassen und zu definieren. Eine einheitliche Regelung gibt es nicht. Überwiegend wird sich an dem Mindestselbstbehalt gemäß § 93 Abs. 2 AktG Satz 3 orientiert, der lautet: „mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds“.

Der Selbstbehalt kann also individuell persönlich von den jeweiligen Aufsichtsratsmitgliedern versichert werden. Die Versicherer bieten unterschiedliche Versicherungskonzepte an.

Die am 20. März 2020 im Bundesanzeiger vorgenommene DCGK-Veröffentlichung in der Fassung vom 16. Dezember 2019 bildet die Grundlage für zu fassende Entsprechenserklärungen. Die Empfehlung sieht keinen Selbstbehalt mehr für Aufsichtsräte in der D&O-Versicherung analog dem Vorstand vor, so wie es noch in der vorherigen Fassung niedergelegt war.

Diese Änderung hat zur Folge, dass viele börsennotierte AGs inklusive der DAX-Teilnehmer die vereinbarten Selbstbehaltsregelungen für Aufsichtsräte in der D&O-Versicherung überdenken.

Welche Folgen hat die Streichung der Selbstbehalte auf die D&O-Unternehmenspolice?

Judith Hebel: In Rücksprache mit der Legal-/Compliance-Abteilung bezüglich gefasster und gültiger Entsprechenserklärungen wurden bereits teilweise Selbstbehalte gestrichen und die Selbstbehaltsregelung auf den Vorstand eingeschränkt. Andere Unternehmen planen oder überdenken die Streichung zur nächsten Hauptfälligkeit des jeweiligen D&O-Vertrages. Aktuell gehen wir davon aus, dass die Mehrheit der Unternehmen den Selbstbehalt für Aufsichtsräte mittelfristig streichen lassen wird.

Grundsätzlich empfehlen wir, im Vorfeld einer Entscheidung für die Streichung, genau zu prüfen, ob es unternehmensinterne Gründe gibt, die gegen diesen Schritt sprechen. Eine Streichung kann dabei in der Regel auch unterjährig mit den Versicherern umgesetzt werden. Normalerweise wirkt sich die Streichung des Selbstbehalts auch nicht auf die Prämie oder die Bedingungen der D&O-Unternehmenspolice aus.

Sofern die D&O-Selbstbehaltspolicen von den Aufsichtsräten gekündigt werden, müssen die Nachmeldefristen im Rahmen der Wordings beachtet oder aber gegebenenfalls mit dem Versicherer oder Versicherungsmakler rechtzeitig abgestimmt werden.

Wenn Sie Fragen zur DCGK-Empfehlung haben oder sich unsicher sind, ob Sie den Selbstbehalt für Aufsichtsräte in Ihren D&O-Policen streichen sollten, wenden Sie sich gerne an Aon. Die Financial Lines Experten beraten Sie gerne ausführlich über Ihre individuellen Vor- oder Nachteile einer Streichung.

Beitrag teilen

Kontakt aufnehmen

Judith Hebel
Broking Specialist I Financial Lines
+49 40 3605 3180

Kommentar verfassen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zwei + 12 =