Kasachstan zeigt: Politische Risiken sind allgegenwärtig

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Die aktuellen Unruhen in Kasachstan nehmen derzeit einen Hauptplatz in den globalen Nachrichten ein. Ein Land, das reich an Öl und Gas ist und lange Zeit als friedlich und sicher galt, sieht sich plötzlich mit Ausschreitungen katastrophalen Ausmaßes konfrontiert. Wegen der extrem gestiegenen Treibstoffpreise und vermeintlicher Korruption ging die Bevölkerung auf die Straße. Die Regierung reagierte mit drastischen Maßnahmen wie Schießbefehlen. Die Lage eskalierte, was auch die traurige Bilanz von mehr als 160 Toten und über 2.000 Verletzten zeigt.

Doch Unruhen und eskalierende Demonstrationen sind keine Seltenheit und längst nicht mehr nur Thema in Schwellen- oder Entwicklungsländern. Ausschreitungen in Südamerika, Demonstrationen der Gelbwesten in Frankreich oder Querdenker-Demos in Deutschland: Proteste nehmen weltweit zu und sind nur eine Konsequenz der wachsenden Unzufriedenheit aufgrund der Covid-19-Pandemie, eingeschränkten Grundrechten und steigenden Preisen in zahlreichen Bereichen.

Silja-Leena Stawikowski, Senior Expert of Political and Special Risks bei Aon, ist spezialisiert auf globale politische Risiken und geht davon aus, dass diese künftig noch zunehmen werden. Im Interview spricht sie über die aktuelle Situation und darüber, was international agierende Unternehmen heute beachten sollten.

1. Wie ist Kasachstan grundsätzlich wirtschaftlich und politisch aufgestellt?

Silja-Leena Stawikowski: Die Rahmenbedingungen sind eigentlich sehr gut: Kasachstan ist ein riesiges Land mit einer kleinen Bevölkerung und reich an Rohstoffen wie Öl und Gas. Zum Vergleich: Es ist ca. achtmal größer als Deutschland, zählt aber nur 18,75 Mio. Einwohner. Und auch wirtschaftlich steht Kasachstan besser da als viele Schwellenländer. So bewertet die Rating-Agentur Standard & Poor’s das Land mit einem BBB-(„. Für eine relative politische Stabilität stehen zumindest offizielle Wahlen, wie zuletzt die Parlamentswahl im Januar 2021. Das Land lockt zudem mit Steuerfreiheit, was es besonders attraktiv für Unternehmen aus dem Ausland macht. So gibt es allein 480 deutsche Unternehmen, die dort ca. 1,3 Mrd. Euro investiert haben. Laut Auswärtigem Amt beträgt das bilaterale Handelsvolumen sogar rund 4.5 Mrd. Euro. Damit ist Kasachstan Deutschlands wichtigster Handelspartner in Zentralasien.   

2. Was sind mögliche Konsequenzen der Unruhen in Kasachstan?

Silja-Leena Stawikowski: Die Folgen sind derzeit noch nicht absehbar. Es ist mit Sanktionen seitens der EU zu rechnen und diese können fatale Auswirkungen haben. Wird beispielsweise ein Embargo verhängt, kann das eine Unterbrechung der Lieferketten mit sich ziehen und Just-in-time-Produktionen gefährden. Darüber hinaus können auch ausfallende Mitarbeiter von Unternehmen vor Ort zu Betriebsunterbrechungen führen. Dabei ist zu betonen, dass sich solche Risiken nicht nur auf die aktuelle Situation beziehen. Kasachstan ist lediglich ein aktuelles Beispiel, dass politische Unruhen ein großes Risiko für den Export von Waren bedeuten.

3. Welche Risiken bestehen beim Export von Waren konkret?

Silja-Leena Stawikowski: Die politischen Risiken mit Blick auf Warenexporte lassen sich deutlich gliedern. Embargorisiken beinhalten beispielsweise Exportverbote einer Regierung. Wenn die Lizenz für einen Export entzogen wird, können auch für einen bestimmten Abnehmer vor Ort maßgeschneiderte Waren, wie z. B. eine spezielle Maschine, nicht mehr exportiert werden und sind damit wertlos. Darüber hinaus sind aber auch ganze Branchen gefährdet. Im aktuellen Beispiel etwa durch den von Deutschland ausgesprochene Exportstopp von Rüstungsgütern nach Kasachstan aufgrund der Schießbefehle der Regierung. Ebenfalls ernstzunehmen sind Enteignungsrisiken im Zusammenhang mit politischen Unruhen. So kann es vorkommen, dass die Regierung Waren enteignet, eine Betriebserlaubnis widerruft oder Vermögenswerte entzieht. Zusätzlich beobachten wir immer wieder verweigerte Genehmigungen und willkürliche Gerichtsverhandlungen im Zusammenhang mit politischen Ausschreitungen. Betriebsunterbrechung bis hin zu Stillständen sind die häufige Folge. Schließlich gibt es noch die Konvertierungs- und Transferrisiken, bei denen z. B. als Folge von Beeinträchtigungen des zwischenstaatlichen Zahlungsverkehrs Beträge nicht in die vereinbarte Währung konvertiert oder transferiert werden und Waren somit nicht bezahlt werden können. Und natürlich gefährden Krieg, Bürgerkrieg, innere Unruhen, politische Streiks oder Terrorismus die Sicherheit von Mitarbeitern und das Bestehen von Tochterunternehmen vor Ort.

4. Wie können sich international tätige Unternehmen grundsätzlich vor solchen politischen Risiken schützen?

Silja-Leena Stawikowski: Politische Risiken sind immer willkürlich, diskriminierend und völlig unberechenbar. Sie können überall auftreten und werden meiner Meinung nach weltweit zunehmen. Jedes international tätige Unternehmen sollte seinen Versicherungsschutz deshalb frühzeitig überprüfen und gegebenenfalls anpassen lassen. So empfehlen wir bei Aon, neben der Sachversicherung Terror and Political Violence zu prüfen, ob zusätzlich eine Deckung der politischen Risiken zur Absicherung von Investitionen sinnvoll ist. Diese schützt Eigenkapital, Gesellschafterdarlehen und Darlehen von Finanzinstituten sowie permanente und mobile Vermögenswerte wie Gebäude oder Lagerbestände. Abgedeckt werden außerdem politische Risikoereignisse, die einen grundlegenden Einfluss auf Auslandsinvestitionen haben. Dazu gehören Enteignungen, erzwungene Geschäftsaufgaben, Konvertierungs- und Transferrisiken sowie Vertragsbrüche mit öffentlich-rechtlichen Geschäftspartnern. Ein solcher Versicherungsschutz kann aber auch die Deckung bei Entzug ausländischer Betriebslizenzen beinhalten und auf weitere diskriminierende unerwartete Handlungen des ausländischen Staates erweitert werden. So könnte auch der Baustein politische Gewalt ­– dazu zählen Krieg, Bürgerkrieg, innere Unruhen, Streik und Terror – aufgrund politischer Ereignisse integriert werden.

Aon unterstützt internationale Unternehmen

Bei Aon beraten wir Kunden ausführlich mit Blick auf politische Risiken und unterstützen bei einer individuellen Risikoanalyse. Dabei verfügt Aon über ein umfassendes und internationales Netzwerk an Versicherern und kann Kunden angemessenen Versicherungsschutz vermitteln, der weit über die Deckung der Betriebsunterbrechung hinaus geht und Unternehmen und ihren Mitarbeitern vor Ort die nötige Sicherheit gibt.

Unternehmen, die Geschäfte im Ausland planen, können sich zudem über die interaktive und kostenlose Aon Risk Map einen ersten Überblick über die Sicherheitslage im Zielland verschaffen.

Auch die Global Risk Management Survey informiert über die wichtigsten Risiken und zukünftigen Herausforderungen für Unternehmen. Der Report liefert Daten und Erkenntnisse, die die Entscheidungsfindung für Verantwortliche erleichtern.

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Ansprechpartner

Silja-Leena Stawikowski
Senior Consultant Single & Political Risks
+49 40 3605 3331

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