Hier schreiben regelmäßig Aon Expertinnen und Experten zu aktuellen Entwicklungen in den Themenfeldern Risiko, Kapital und Human Resources. Mit diesen Informationen und Erkenntnissen können Führungskräfte bessere Entscheidungen für ihr Unternehmen treffen.
Eine Gruppe von Chemikalien, die Gesetzgeber und Unternehmen beschäftigt: Regelungen, Pflichten und Fristen in Bezug auf Schaummittel
Schaummittel in Löschanlagen und Feuerlöschern stehen derzeit unter Generalverdacht, poly- oder perfluorierte organische Verbindungen wie PFOS, PFOA, PFHxS und C9-C14 PFCA zu enthalten.¹
Dabei besitzen chemische Verbindungen, die hinter den o. g. Kürzeln stecken, eigentlich attraktive Eigenschaften; sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend, chemisch und thermisch stabil. Es handelt sich jedoch auch um Gefahrstoffe, die sich teilweise nie mehr aus der Umwelt entfernen lassen. Sie stehen im Verdacht, Krebs zu erregen und können in Schadenfällen zu immensen Sanierungskosten führen.
Rechtsnormen & Fristen
Die Verwendung einzelner Verbindungen dieser Stoffgruppe ist in der EU schon lange verboten (vgl. REACH VO (EG) 1907/2006² und POP VO EU/2019/1021³). Die letzten Übergangsfristen, in denen die Verwendung noch erlaubt war, laufen jetzt aus. Ein generelles Verbot der gesamten Stoffgruppe wird ebenfalls diskutiert.
Aktuell sind bestimmte Feuerlöschschäume, die bereits in mobile oder ortsfeste Systeme eingefüllt sind, noch bis zum 04.07.2025 zulässig.4
Freisetzungen müssen schon jetzt aufgefangen werden
Auch wenn die Frist für ein vollständiges Verwendungsverbot noch in der Zukunft liegt: Schaummittel, die aktuell in Systemen enthalten sind, dürfen nur verwendet werden, wenn alle Freisetzungen aufgefangen werden. Diese Pflicht gilt für (Löschanlagen-/ Feuerlöscher-)Tests sowie für alle sonstigen Verwendungen (z. B. Verwendung des Löschmittels im Brandfall). Daher sind bei Tests solcher Anlagen nicht nur besondere Sorgfalt geboten, sondern auch die Vorgaben der Landesbehörden/Kommunen für die Einleitung von Abwasser zu beachten (direkte Einleitung in Gewässer und indirekte Einleitung in Kläranlagen der Stadt).
Einige Kommunen legen für die Einleitung von Abwasser, das solche Verbindungen enthält, einen Grenzwert von 1 μg/kg fest (vgl. chemikalien-rechtlicher Grenzwert: 25 μg/kg).
Meldepflichten für Lagerbestände
Lagerbestände von mehr als 50 kg bestimmter Schaummittel (vgl. Anhang I oder II der POP VO EU/2019/1021) müssen der zuständigen Behörde gemeldet werden (vgl. Art. 5 (2) POP VO). Zuständige Behörden sind hierbei jeweils die Landesbehörden der Bundesländer wie Bezirksregierung, das Gewerbeaufsichtsamt oder das Regierungspräsidium. Für die Meldungen soll laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) ein bestimmtes Formularverwendet werden.7 Hierin sind Angaben zu Stoffgruppe, die EC- und CAS-Nummer, die POP-Konzentration im Gemisch, Art der Lagerhaltung, Beschreibung der Verwendung, Erläuterungen der Maßnahmen, die gegen eine mögliche Freisetzung der Produkte in die Umwelt getroffen werden, etc. aufzunehmen. Wichtig: Die Meldefrist ist bereits abgelaufen, daher sollten die Meldungen unverzüglich und danach regelmäßig einmal jährlich wiederholt erfolgen.⁶
Empfohlenes Vorgehen
Unternehmen sollten sich rasch mit der Thematik beschäftigen, um Umweltschäden und Sanktionen zu vermeiden und Maßnahmen in einer Zeit zu treffen, in der Sie den Ablauf der Umsetzung beeinflussen können.
Die Abteilung Risk Control & Engineering (RCE) bei Aon empfiehlt die folgenden Schritte:
- Übersicht verschaffen (prüfen, ob Sprinkleranlagen oder Feuerlöscher mit Schaummitteln bestehen und ob diese den o. g. Stoffgruppen zugehören). Vorlage der BAUA verwenden, um Details zu dokumentieren.
- Analyse eventueller fluorhaltiger Schaummittel in Auftrag geben.5
- Entleeren und Reinigen der schaummittelhaltigen Anlagen(teile) durch Fachbetrieb.
- Sämtliche Medien (Produkt, Reinigungs- und Spülwasser) vollständig auffangen.
- Aufgefangene Medien ordnungsgemäß abfallrechtlich entsorgen.
- Abfallentsorgungsnachweise vom Fachbetrieb erbitten und in die innerbetriebliche Dokumentation aufnehmen.
- Neues, zugelassenes Schaummittel ermitteln oder ein schaummittelfreies Löschkonzept in Erwägung ziehen.
Beachtung des Abfallrechts
Wird festgestellt, dass das vorhandene Schaummittel nicht zugelassen war (vgl. Art. 5 (1) POP VO), muss das Produkt ordnungsgemäß als Abfall entsorgt werden.
Nach dem Inkrafttreten des Verwendungsverbots PFOA-haltiger Schaummittel am 04.07.2025 müssen solche Schaummittel ebenfalls entsorgt werden.
Abfallrechtlich kann es sich bei Abfällen dieser Stoffgruppe – je nach Gehalt an fluorierten Verbindungen – um „gefährliche Abfälle“ i.S. § 3 Abfallverzeichnis Verordnung (AVV) handeln.
Für gefährliche Abfälle ist vor der Entsorgung ein bestätigter Entsorgungsnachweis gemäß § 50 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) in Verbindung mit Teil 2 der Nachweisverordnung (NachwV) erforderlich.
Nach erfolgter Entsorgung ist gemäß § 49 Abs. 3 KrWG in Verbindung mit § 24 NachwV ein Register zu führen.
Beachtet werden sollten zudem eventuelle landesrechtliche Vorgaben zur Abfallentsorgung.
Mit welchen Sanktionen müssen Unternehmen bei Nichtbeachtung rechnen?
Werden o. g. Pflichten nicht erfüllt, drohen nicht nur Konflikte mit dem europäischen und deutschen Chemikalienrecht und ggf. dem Abfallrecht, sondern auch Bußgelder oder sogar Freiheitsstrafen.
Auch unabsichtliche Freisetzung muss aufgefangen werden
Häufig nicht berücksichtigt wird, dass auch Stoffe, die bei Unfall, Fehlbedienung, Gabelstapleranprall, Überfüllung, Verschüttung o. ä. in die Umwelt gelangen (also ohne Brand und nicht bei Revisionen) vollständig und ohne Ausnahmeaufgefangen werden müssen.
Andernfalls könnten das Erdreich des unbefestigten Geländes in Betrieben, die Kanalisation, das Klärwerk und auch landwirtschaftliche Flächen, auf denen Filterkuchen der Kammerfilterpresse des Klärwerks ausgebracht werden, kontaminiert werden. Sanierungsaufwand und die damit verbundenen Kosten können immens sein.9
Aons Risk Control & Engineering unterstützt Ihr Umwelt- und Brandschutzmanagement
Die Brand- und Umweltschutz Experten der Abteilung Risk Control & Engineering (RCE) bei Aon begleiten Unternehmen als Partner, helfen bei der Entwicklung eines konsequenten Umweltmanagements und erstellen gerne bedarfsgerechte adäquate Löschkonzepte.
ESG
Regierungen, Unternehmen und Zivilgesellschaften stehen vor immer größer werdenden Herausforderungen: Sie alle sind aufgefordert, ihr Handeln so auszurichten, dass ein menschenwürdiges Leben überall auf der Welt möglich ist und die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft bewahrt werden. Diese Handlungsmaxime umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte, auch bekannt als die sogenannten ESG-Kriterien.
ESG, das ist der Dreiklang aus Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung).
Der Bereich Environment beinhaltet Themen wie Umweltschutz, Energieeinsparung oder Entsorgung und Recycling. | |
Der Faktor Social beschäftigt sich unter anderem mit Chancen- und Lohngleichheit, sozialem Engagement oder der Einhaltung von Menschenrechten. | |
Governance legt den Fokus auf Transparenz und eine nachhaltige Unternehmensführung, unter anderem auch in der Finanzierung. |
Nachhaltigkeit betrifft heute also nicht nur Umweltaspekte, sondern wird weitaus breiter gedacht.
Quellen und Erläuterungen
[1] Aktuell regulierte Verbindungen: in der POP VO 2019/1021: PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), PFOA (Perfluoroctanacid, Perfluoroctansäure), PFHxS (Perfluorhexansulfonsäure); in der REACH VO Anh. XVII, Nr. 68 i.V.m. VO EU 2021/1297: C9-C14 PFCA (Perfluorierte Carbonsäuren).
Allen o.g. Verbindungen gemeinsam sind das „P“, das für „Per“- oder „Poly“- steht und das „F“, welches Symbol für das chemische Element „Fluor“ ist.
[2] REACH VO (EG) 1907/2006 Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) vom 18. Dezember 2006, zul. geä. 27.09.2023
[3] POP VO EU/2019/1021 Verordnung über persistente organische Schadstoffe vom 20.06.2019, zul. geä. 08.08.2023
[4] Grenzwerte
PFOA oder ihrer Salze in Konzentrationen von bis zu 0,025 mg/kg bzw. PFOA-verwandten Verbindung oder einer Kombination von PFOA-verwandten Verbindungen in Konzentrationen von höchstens 1 mg/kg (vgl. POP VO).
Die Ausnahme vom Verwendungsverbot gilt nur für PFOA, ihrer Salze und von PFOA-verwandten Verbindungen, die in Feuerlöschschaum zur Bekämpfung von Dämpfen aus Flüssigbrennstoffen und Bränden von Flüssigbrennstoffen (Brandklasse B). Für Schaummittel für Brände von Feststoffen (Klasse A) gilt die Ausnahme nicht. Ist bei diesen Schaummitteln der jeweils anwendbare PFOA-Grenzwert (0,025 oder 1 mg/kg) überschritten, dann sind diese Schaummittel bereits jetzt zu entsorgen.
Ausnahmen vom Verwendungsverbot gelten zudem für C9-C14-PFCA und ihrer Salze in Konzentrationen von bis zu 0,025 mg/kg bzw. C9-C14-PFCA-verwandte Stoffe in Konzentrationen von höchstens 0,026 mg/kg (vgl. REACH VO Anh. XVII, Nr. 68 i.V.m. VO EU 2021/1297).
Perfluorhexansulfosäure (PFHxS) wurde per delegierter EU-Verordnung 2023/1608 zur POP VO vom 30.05.2023 verboten (Grenzwert in Schaummitteln: 1 mg/kg für Konzentrationen von PFHxS, ihrer Salze und PFHxS-verwandten Verbindungen). PFHxS kann als Verunreinigung in Schaummitteln vorkommen.
[5] In Sicherheitsdatenblättern findet sich oft nur die Angabe, ob das Schaummittel fluorhaltig ist oder nicht. Details über die genaue Stoffgruppe oder deren Anteil am vorhandenen Produkt, sucht man oft vergeblich. Zudem variieren die Stoffgehalte durch kleine Unterschiede in den Chargen der Hersteller und sind durch Nachfüllvorgänge zustande gekommen. Die chemische Verbindung und deren Konzentration in der Anlage kann nur mit einer Laboranalyse ermittelt werden.
[6] Die Informationen waren innerhalb von zwölf Monaten nach dem Zeitpunkt, ab dem die vorliegende Verordnung oder die Verordnung (EG) Nr. 850/2004 auf diesen Stoff Anwendung findet, vorzulegen (vgl. Art. 5 (2) Satz 2 POP VO). Hinweis: Eintrag ist im Jahr 2020 in die POP VO aufgenommen worden.
[7] Das Meldeformular der BAuA finden Sie hier
[8] Vgl. Projekt „Evaluierung von Optionen zur Substitution von PFAS in ausgewählten Anwendungen“, Fraunhofer-Institut
[9] Vgl. Vorläufige Leitlinien zur Bewertung von PFAS-Verunreinigungen in Wasser und Boden, Bayerisches Landesamt, Juli 2022
Von uns gemachte Ausführungen und zur Verfügung gestellte Unterlagen basieren auf Erkenntnissen und Informationen, die wir in vielen Jahren praktischer Erfahrungen gesammelt haben. Diese stellen ausdrücklich keine Rechtsberatung dar und ersetzen die fundierte Rechtsberatung zu diesen Themen – möglichst durch einen Fachanwalt – nicht. Die Informationen sind jeweils von den Unternehmen zu prüfen. Die Einhaltung umweltrelevanter Rechtsnormen obliegt den Unternehmen an den jeweiligen Standorten.