Allyship – Der Schlüssel zur Kraft der Vielfalt

Lesezeit: 6 Minuten

Setzen sich weiße Menschen aktiv gegen Rassismus ein, ist in Deutschland immer häufiger von Allyship die Rede. Der Begriff Allyship bedeutet so viel wie Verbündetenschaft. Er beschreibt Menschen, die gewisse strukturelle Privilegien besitzen und diese nutzen, um Personen einer diskriminierten Gruppe solidarisch und aktiv zu unterstützen. Gründe für Diskriminierung können beispielsweise das Geschlecht, die sexuelle Orientierung und/oder die Herkunft sein. So können sich Weiße im Kampf gegen Rassismus mit Black, Indigenous and People of Color (BIPoC) verbünden oder cisgeschlechtliche Menschen andere Geschlechtsidentitäten solidarisch unterstützen. Dabei geht es immer darum, aus dem Bewusstsein für die eigenen Privilegien heraus gegen Diskriminierung vorzugehen – auch ohne selbst betroffen zu sein.

Wie wird man zum Ally?

Grundsätzlich kann jeder Ally sein, der nicht selbst Teil einer diskriminierten Gruppe ist und eine vorteilhaftere Position in der Gesellschaft besitzt. Über Solidaritätsbekundungen in den sozialen Netzwerken hinaus nimmt ein Ally ein Problem so an, als wäre es sein eigenes, setzt sich aktiv statt passiv gegen Ungerechtigkeit ein, hört zu und versteht. Ein Ally stellt sich selbst zurück, erhebt die Stimme, wenn er diskriminierende Situationen erkennt und bietet situations- und kontextabhängige Unterstützungsmöglichkeiten an.

Allyship reduziert sich dabei nicht auf die Unterstützung einzelner Personen. Auch ein Unternehmen kann auf breiter gesellschaftlicher Ebene als Ally eintreten, indem es Selbstbestimmungs- und gleichberechtigte Teilhabeforderungen aktiv und sichtbar fördert.

Was Allyship innerhalb eines Unternehmens bedeuten kann, wissen Tatjana Christians und Katja Haugk von Aon. Als Face to the market for Diversity und im Organisations-Komitee für das Dive In Festival for Diversity & Inclusion in Insurance machen sich die beiden Frauen für eine tolerante und integrative Arbeitswelt stark. Im Interview erzählen sie, was Allyship für sie bedeutet und warum es aus ihrer Sicht mehr Verbündete braucht, um Vielfalt und Toleranz nachhaltig im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern.

1. Das Dive In Festival for Diversity & Inclusion in Insurance möchte die Versicherungsbranche langfristig attraktiv für Mitarbeitende mit unterschiedlichsten Hintergründen machen. Das diesjährige Motto: „Active Allyship and Empowerment – From intention to action”. Was bedeutet Allyship für Sie?

Katja Haugk: Der Begriff Allyship bedeutet für mich, dass nachhaltiger Wandel nur funktioniert, wenn man Verbündete hat. Innerhalb eines Unternehmen hat man es als Einzelkämpfer oft sehr schwer. Man braucht Verbündete, die einen connecten. Menschen, mit denen man sprechen kann und die für einen da sind. Meine Kunden-Teams bestehen oft aus vielen unterschiedlichen Charakteren. Allyship bedeutet für mich, diese verschiedenen Charaktere einander näherzubringen und Verbündete aus ihnen zu machen. Denn gerade in der Arbeit am Kunden muss ein Team zusammenhalten. Je besser man mit den Menschen auskommt, mit denen man zusammenarbeitet, je besser man sich mit ihnen versteht und eine Verbindung aufbaut, desto besser gelingt es auch, für den Kunden gemeinsam erfolgreich zu sein.

Tatjana Christians: Für mich ist Allyship eine Haltung, die ein Gefühl vermittelt. Das Gefühl, sein zu dürfen, wer man ist und sich nicht verbiegen oder verstellen zu müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich von einem engen Freund erzählen, der bei seinem früheren Arbeitgeber verbergen musste, dass er homosexuell ist. Um keine Ablehnung zu erfahren, gab er sogar vor, eine Freundin zu haben. Er fühlte sich schrecklich dabei. Allyship bedeutet daher für mich, eine Atmosphäre der Offenheit zu kreieren, in der sich jeder wohlfühlt und nicht davor zurückscheut, sein wahres Ich zu offenbaren. Für dieses Gefühl mache ich mich stark und erhebe meine Stimme, wenn ich den Eindruck gewinne, dass gewisse Leute benachteiligt werden. Und zwar auch, wenn die betroffene Person nicht anwesend ist.

2. Warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, ein Ally zu sein?

Tatjana Christians: Es sind nicht immer die großen Dinge. Manchmal fehlt uns einfach das nötige Feingefühl. Aussagen wie „Du siehst schwul aus“ werden im Spaß getätigt, ohne darüber nachzudenken, dass es eben solche Aussagen Homosexuellen noch schwerer machen könnten, sich zu outen. Wir müssen hier eine Sensibilität entwickeln und das funktioniert aus meiner Sicht nur, indem man darauf aufmerksam macht.

Es ist wichtig, am Ball zu bleiben. Nur, weil Toleranz und Akzeptanz für uns selbstverständlich sind, dürfen wir keine falschen Rückschlüsse ziehen und davon ausgehen, dass alle diese Einstellung teilen. Deswegen werde ich als Ally auch in Zukunft immer meine Stimme erheben, wenn ich merke, dass andere diskriminiert werden – sei es aufgrund ihrer Sexualität, ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft. Nur so kann es uns gelingen, das richtige Feingefühl für solche Situationen zu entwickeln.

Katja Haugk: Das sehe ich genauso. Es gab und gibt immer wieder Fälle, in denen Mitarbeitende von Kunden aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Auch dann ist es wichtig, sich vor seine Kollegen zu stellen und als Verbündeter die Stimme zu erheben. Ich selbst habe vor fast 20 Jahren erlebt, dass ein Kunde mir seine Unterlagen nicht aushändigen wollte, weil ich eine Frau bin. Seitdem hat sich zum Glück einiges getan. Doch dieser Wandel funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Man kann solche Veränderungen nicht von heute auf morgen übers Knie brechen, aber darauf aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, ist ein erster, wichtiger Schritt.

Ich habe den Eindruck, dass sich in der Versicherungs- und Maklerbranche hier bereits einiges bewegt hat und angestoßen wurde. AXA beispielsweise hat einen Chief Diversity Officer, der sich ausschließlich mit solchen Veränderungen beschäftigt. Auch Aon hat viele tolle Formate ins Leben gerufen, die Aufmerksamkeit schaffen. Das zeigt mir, dass wir in die richtige Richtung gehen.


Zum Hintergrund

Allyship in der Versicherungs- und Maklerbranche

Das weltweite Dive In Festival for Diversity & Inclusion in Insurance möchte die Versicherungsbranche langfristig attraktiv für Mitarbeitende mit unterschiedlichsten Hintergründen machen und aufzeigen, von welchen Vorteilen die Branche profitieren kann, wenn sie auf möglichst vielfältige Mitarbeitende setzt.

Im Jahr 2005 von Lloyds of London ins Leben gerufen, reichte das Themenspektrum des Festivals in den vergangenen Jahren von Chancengleichheit der Geschlechter über Generationengerechtigkeit bis hin zu fairen Chancen für Mitarbeitende mit Behinderung, ethnisch unterschiedlichen Wurzeln, anderen Hautfarben oder unterschiedlichen sexuellen Neigungen.

Unter dem Motto „Active Allyship and Empowerment – From intention to action” wird das Festival in diesem Jahr vom 21. bis 23. September stattfinden. Dr. Hanna Fearns, Managementberaterin mit Fokus auf Frauenförderung in Großunternehmen tritt hier als Keynote-Sprecherin auf. Neben Aon wird die Veranstaltung von diversen (Rück-)Versicherern, großen Maklerhäusern und Anwaltskanzleien gesponsert, unter anderem AXA XL, Chubb, DLA Piper und Willis Towers Watson.

Weitere Informationen zum Festival sowie den Link zur Registrierung finden Sie hier.

Beitrag teilen

Kontakt aufnehmen

Katja Haugk
Director Multinational Clients – Region West Commercial Risk Solutions
+49 208 7006 2824

Tatjana Christians
Chief Counsel Germany, Austria, Switzerland | Aon Beteiligungsmanagement Deutschland GmbH & Co. KG
+49 40 3605-3641

Kommentar verfassen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

achtzehn + fünfzehn =