Turbulenzen an den Kapitalmärkten und betriebliche Altersversorgung: Analyse aus Unternehmens- und Arbeitnehmersicht

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Die jüngsten Turbulenzen am Kapitalmarkt haben nicht nur Unternehmen und Anleger weltweit aufgeschreckt, sondern v.a. auch viele Arbeitnehmer in den USA, die über die vom Arbeitgeber mitfinanzierten, anlagebasierten sog. 401K-Pläne (die ihren Namen Abschnitt 401k des US-Steuergesetzes verdanken) direkt von Kursbewegungen profitieren – oder mit Verlusten auf ihren Versorgungskonten zu rechnen haben. Insbesondere betrifft dies diejenigen unmittelbar und ohne Ausgleichsmöglichkeit über die Zeit, die bereits im Ruhestand sind.

Wenngleich die betriebliche Altersversorgung (bAV) in Deutschland mit dem US-Modell, in dem die Arbeitnehmer überwiegend das komplette Finanzmarktrisiko tragen, nicht vergleichbar ist, so fragen auch hierzulande Unternehmen und Versorgungsberechtigte, inwiefern ihre betriebliche Altersversorgung von den Turbulenzen tangiert ist. In diesem Beitrag gibt Aon Antworten auf wesentliche Fragen und nimmt dabei sowohl die Perspektive der Unternehmen ein, die eine bAV zugesagt haben, als auch die der Versorgungsberechtigten mit einem Anspruch auf betriebliche Versorgungsleistungen.

Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung aus Sicht der Unternehmen

  1. Wie beeinflussen die Turbulenzen am Kapitalmarkt die betriebliche Altersversorgung in Deutschland?

    Für Unternehmen können sich Auswirkungen in Bezug auf die Kapitalanlage und Verpflichtungen ergeben: Diejenigen mit kapitalgedeckten Pensionszusagen sind zum einen einer starken Volatilität aufgrund nicht planbarer politischer Entscheidungen ausgesetzt, z.B. durch die aktuelle Androhung und Erhebung massiver Zölle für Importe in die USA oder durch allgemeine geopolitische Unsicherheiten. Zum anderen kommen Effekte, wie die aktuell starke Abwertung des US-Dollars sowie Verluste an den Aktienmärkten hinzu, die sich unmittelbar an der Entwicklung der für die bAV reservierten Vermögensmittel ablesen lassen.

    Mittelfristig können die beschriebenen politischen Rahmenbedingungen (Verknappung der Rohstoffe, Unterbrechung von Lieferketten, Preisanstiege aufgrund der Zölle) einen starken Anstieg der Inflation zur Folge haben, was wiederum zu erhöhten Anpassungen von laufenden Renten führen würde.

  2. Wer trägt die Chancen und Risiken der Kapitalanlage bei Pensionszusagen?

    Die Risiken der Kapitalanlage trägt bei Leistungszusagen oder beitragsorientierten Leistungszusagen das Unternehmen oder – sofern für die Finanzierung eine entsprechende Versicherung abgeschlossen wurde – der ausgewählte Versicherer. Auch wenn bei der beitragsorientierten Leistungszusage ein bestimmter Versorgungsaufwand seitens des Unternehmens definiert wurde, bestimmt sich die Leistungshöhe über die Umrechnung von Faktoren oder die Verlinkung zu einer Versicherung. Das Unternehmen als Arbeitgeber steht somit für die Erfüllung der Verpflichtungen ein, unabhängig davon, ob im Falle einer freien Kapitalanlage durch Kursschwankungen weniger Vermögensmittel vorhanden sind.

    Etwas anders stellt sich die Situation bei sog. wertpapiergedeckten Pensionszusagen dar. Hier werden die Risiken zwischen dem Arbeitgeber und den Anspruchsberechtigten insoweit geteilt, wie der Arbeitgeber bestimmte Garantien – z.B. eine Garantie der eingezahlten Beiträge – übernimmt und die Versorgungsberechtigten von Wertsteigerungen der Kapitalanlage profitieren. Um die Arbeitnehmer mit solchen Versorgungsplänen vor Kapitalmarktrisiken zu schützen, werden oftmals sog. „Life Cycle“-Modelle etabliert. Hierbei wird mit zunehmendem Alter das Anlageportfolio von renditestärkeren, aber auch risikoreicheren zu sicheren Anlagen umgeschichtet. Dies soll verhindern, dass gerade in den letzten Jahren vor der Rente, die sich über die Laufzeit erwirtschaftete Rendite negativen Kursschwankungen ausgesetzt ist.

    Die Abgabe eines Garantieversprechens durch das zusagende Unternehmen ist in der bAV in Deutschland sehr verbreitet, wenn auch in den letzten Jahren ein deutlicher Trend zu geringeren Garantieübernahmen zu erkennen ist. Lediglich bei der „reinen Beitragszusage“ (auch Sozialpartnermodell genannt) werden die Risiken nahezu uneingeschränkt von den versorgungsberechtigten Arbeitnehmern getragen. Aber auch hier werden Sicherungsmechanismen eingesetzt, um eine stabile Absicherung zu gewährleisten.

  3. Welcher Handlungsbedarf ergibt sich vor diesem Hintergrund für Unternehmen?

    Aufgrund globaler politischer Umwälzungen kann von weiteren Verwerfungen in den Volkswirtschaften und Kapitalmärkten ausgegangen werden. Die weiterhin hohe Volatilität an den Aktienmärkten, insbesondere in den USA, wird voraussichtlich Kapitalverschiebungen in sichere Häfen wie Europa und Japan, sowie evtl. Kanada und Australien zur Folge haben. Es ist davon auszugehen, dass US-Anleihen von vielen Investoren abgestoßen werden (insb. China und Japan). Dies wird die US-Zinsen bzw. den Risikoaufschlag für den Schuldner USA nach oben treiben (USA momentan vergleichbar mit dem Niveau von Italien und Griechenland), was mit einer Abwertung des US-Dollar einhergehen dürfte. Rohstoffverknappungen und Lieferkettenunterbrechungen inmitten geopolitischer Spannungen könnten die Inflation und somit auch die Zinsen weiter nach oben treiben.

    In diesem Umfeld der Unsicherheiten ist es wenig ratsam, neue Investitionen in US-Assets zu tätigen. Man sollte aber auch nicht kopfüber die bisherigen Investitionen in US-Assets auflösen, sondern stattdessen mit Bedacht umschichten. Währungsrisiken zum US-Dollar sollten, wenn möglich, abgesichert werden. Im Falle steigender Zinsen sollte man opportunistisch kaufen (Durations-Verlängerung, Matching Portfolio).

Turbulenzen an den Kapitalmärkten – Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung (bAV) aus Sicht der Arbeitnehmenden

  1. Wirken sich Schwankungen an den Kapitalmärkten auf die Höhe der betrieblichen Altersversorgung aus?

    Das kommt auf die Ausgestaltung der betrieblichen Versorgungspläne an. Im Falle von leistungsorientierten Plänen, also Plänen, bei denen den Arbeitnehmenden eine feste Leistung zugesagt wird, spielen Schwankungen an den Kapitalmärkten keine Rolle. Das gilt auch für beitragsorientierte Pläne, bei denen die Beiträge fest verzinst werden. Ist der Versorgungsplan jedoch wertpapiergebunden ausgestaltet, können schwankende Kurse die Höhe der zukünftigen Betriebsrente beeinflussen. Allerdings werden im Geltungsbereich der bAV Verluste durch Mindestleistungen des Arbeitgebers abgefangen.

  2. Gibt es bei wertpapiergebundenen Pensionszusagen Sicherheitsmechanismen, um Verluste kurz vor Rentenbeginn der Arbeitnehmenden zu vermeiden?

    Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die Höhe der Altersleistung kurz vor Rentenbeginn möglichst stabil zu halten. So folgt die Kapitalanlage häufig einem sog. Lebenszyklusmodell. Dieses bietet den Arbeitnehmenden eine gute Kombination aus Renditeoptimierung und Kapitalerhalt. Für junge Arbeitnehmende werden die Beiträge in chancenorientierte Anlagen mit hoher Renditeerwartung wie z.B. Aktien investiert. Je näher der Rentenbeginn der Arbeitnehmenden rückt, umso mehr wird in sicherere Anlagen wie z.B. Anleihen oder Geldmarktpapiere umgeschichtet. So wird vermieden, dass die Leistungshöhe kurz vor Rentenbeginn stark fallen kann. In anderen Fällen kommen oftmals kollektive Sicherheitspuffer zum Einsatz, durch die Kursverluste kurz vor Rentenbeginn aufgefangen werden können.

  3. Kann es bei wertpapiergebundenen Pensionszusagen einen Totalverlust geben?

    Dies ist ausgeschlossen. Wertpapiergebundene Pensionszusagen sehen Mindestleistungen vor. Viele Arbeitgeber gewähren sogar über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehende Garantien, z.B. eine moderate Garantieverzinsung.

    Lediglich bei der reinen Beitragszusage im Rahmen der Sozialpartnermodelle, die von den jeweiligen Tarifvertragspartnern gesteuert und durchgeführt werden, wird auf Garantien ganz verzichtet. Ein Totalverlust ist zwar theoretisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Große Kollektive, lange Anlagezeiträume, Investitionen in unterschiedliche Anlageklassen und Sicherheitspuffer sorgen dafür, dass Verlustrisiken und Ertragschancen ausgewogen sind.

    Kurzfristige Verwerfungen an den Kapitalmärkten im Hinblick auf die bAV sind also kein Grund für übertriebene Nervosität. Rentennahe Jahrgänge sollten sich allerdings frühzeitig über ihren Versorgungsplan informieren.  

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