Hier schreiben regelmäßig Aon Expertinnen und Experten zu aktuellen Entwicklungen in den Themenfeldern Risiko, Kapital und Human Resources. Mit diesen Informationen und Erkenntnissen können Führungskräfte bessere Entscheidungen für ihr Unternehmen treffen.
Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes: Unternehmen profitieren vom vereinfachten Recruiting ausländischer Fachkräfte
In Zeiten des Fachkräftemangels kann die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland (Inpatriates) einen enormen Wettbewerbsvorteil mit sich bringen.
Die Bundesregierung gewährt Unternehmen hier nun mehr Unterstützung: So sollen Fachkräfte aus Drittstaaten – also aus Ländern, die nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehören – in Deutschland künftig leichter einen Arbeitsplatz finden. Um ihnen den Zugang zu erleichtern, wurde das Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus dem Jahr 2020 zum 18. November 2023 grundlegend reformiert. Die Änderungen erfolgen schrittweise, wobei zwei von drei Stufen bereits in Kraft getreten sind. Die Reform soll vor allem neue Wege der schnellen Fachkräftegewinnung ermöglichen und Bürokratie abbauen. Doch was hat sich konkret geändert und wie können Unternehmen profitieren?
Stufe 1 zum 18. November 2023: Niedrige Gehaltsschwellen
Die erste Neuerung umfasst eine Erweiterung der Einwanderungsmöglichkeiten mit der „Blauen Karte EU“. Dank deutlich gesenkter Gehaltsschwellen können ausländische Fach- und Arbeitskräfte nun ab einem vereinbarten Bruttojahresgehalt von 43.800 Euro (statt zuvor 58.400 Euro) nach Deutschland einwandern. Für Berufseinsteiger und Bewerber für sogenannte Engpassberufe gilt eine neue Gehaltsgrenze von 39.682,80 Euro. Die Liste der Mangelberufe wurde dabei ebenfalls stark ausgeweitet. Zu den bisherigen Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin wurden beispielsweise Führungskräfte in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie, in der Kinderbetreuung und im Gesundheitswesen sowie Lehr- und Erziehungskräfte im schulischen und außerschulischen Bereich ergänzt.
Weiter Änderungen
- Fachkräfte in nicht reglementierten Berufen, die eine hierzulande bereits anerkannte Ausbildung vorweisen können, dürfen ab sofort auch in einem anderen Berufsfeld arbeiten.
- Wurde die „Blaue Karte“ in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ausgestellt, ist zudem ein Aufenthalt in Deutschland von bis zu 90 Tagen ohne Visum und Arbeitserlaubnis möglich.
- Es besteht eine vereinfachte Zustimmungserteilung für die Beschäftigung von Berufskraftfahrenden aus Drittstaaten.
- Mit der Reform wurde die Westbalkanregelung entkräftet, sodass nun auch Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien von einem erleichterten Zugang profitieren.
Stufe 2 zum 1. März 2024: Qualifizierungsmöglichkeiten und Erfahrung
- Aufenthaltsverlängerung für die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen von bisher 18 Monaten auf 24 Monate; weitere Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung um zwölf Monate – wenn notwendig – möglich.
Arbeitgeber profitieren dank einer neuen Anerkennungspartnerschaft zudem künftig von mehr Flexibilität:
- Interessierte Fachkräfte haben die Möglichkeit, den Aufenthaltstitel für eine qualifizierte Arbeit zu bekommen, während sie das Anerkennungsverfahren erst nach der Einreise vor Ort absolvieren können.
- Ausländische Arbeitskräfte, die sich bereits in Deutschland befinden und Anerkennung beantragt haben, dafür jedoch eine Qualifikationsanalyse zur Feststellung der Gleichwertigkeit ihrer Berufsausbildung durchführen müssen, sollen dafür einen Aufenthaltstitel von bis zu sechs Monaten erhalten können.
Außerdem wird die Berufserfahrenenregelung auf alle Berufe ausgeweitet: Arbeitskräfte mit einem vom jeweiligen Ausbildungsstaat anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss, die mindestens zwei Jahre Erfahrung im angestrebten Beruf vorweisen können, dürfen in Deutschland eine Tätigkeit ausüben. Da vor allem im Pflegebereich ein akuter Mangel vorliegt, wird speziell auch den Pflegehilfskräften aus Drittstaaten der Arbeitsmarktzugang erleichtert. Außerdem können Unternehmen dank einer Neuregelung zur kurzzeitigen Beschäftigung von Arbeitskräften künftig leichter auf schwankenden Personalbedarf reagieren.
Stufe 3 zum 1. Juni 2024: Mehr Chancen – höheres Potenzial
Ab Juni können sich Talente für eine Chancenkarte bewerben – eine neue Möglichkeit des Aufenthaltstitels für alle, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland haben und die anderen Kriterien nicht erfüllen.
Die Chancenkarte ist ein Jahr gültig und wird nach einem Punktesystem vergeben. Punkte gibt es beispielsweise für bestimmte Qualifikationen, für gute Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung oder einen Deutschlandbezug. Wer die Chancenkarte erhält, darf hierzulande einer Beschäftigung von bis zu 20 Wochenstunden nachgehen oder bis zu zwei Wochen in einem Job probearbeiten, um das Unternehmen und die Arbeit kennenzulernen. Sofern ein Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung vorliegt und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt, soll die Chancenkarte sogar um bis zu zwei Jahre verlängert werden können.
Onboarding leichtgemacht: Inpatriates benötigen Krankenversicherung
Während die Bundesregierung Bürokratien abbaut und das internationale Recruiting vereinfacht, können sich Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und sich die besten Talente sichern, indem sie ihnen mit dem richtigen Onboarding den Einstieg erleichtern.
Ausländische Fachkräfte und deren mitreisende Familien benötigen beispielsweise entsprechende Versicherungen. Allen voran bedarf es einer Krankenversicherung.
Die Krux: Das deutsche Versicherungssystem ist komplex und für ausländische Arbeitskräfte häufig schwer zu fassen. Unternehmen können ihre Inpatriates mit einer umfassenden Aufklärung, Materialien auf englisch und speziellen Angeboten unterstützen. So kann unter anderem bei mehreren ausländischen Beschäftigten ein Gruppentarif für eine Privatversicherung sinnvoll sein und sowohl den Inpatriates als auch den Unternehmen hohe Kostenvorteile verschaffen. Statistiken zeigen, dass die Gehälter bei Inpatriates häufig die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten, was ihnen die Möglichkeit gibt, sich für eine private Krankenversicherung zu entscheiden. Bei einer Gruppenlösung könnten sie dann zum Beispiel von günstigen Beiträgen ohne Gesundheitsprüfung und einem weltweiten Versicherungsschutz profitieren, während Unternehmen hohe Summen bei den Sozialabgaben sparen.
Aon unterstützt Unternehmen sowohl beim Onboardingprozess als auch bei der Bereitstellung geeigneter Versicherungslösungen. Arbeitgeber können dies bereits für ihr Recruiting nutzen und das Interesse potenzieller Fachkräfte mit dem Angebot attraktiver Benefits wecken.