Liquidität sichern, Insolvenz vermeiden: Proaktives Liquiditätsmanagement für Unternehmen in der Krise

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Die deutsche Wirtschaft schlägt Alarm: 16,8 Prozent mehr Unternehmensinsolvenzen als im Vorjahr – ein besorgniserregender Trend, der sich laut Prognosen auch 2025 fortsetzt. Trotz widriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist eine Insolvenz nicht zwangsläufig unausweichlich: Innovative Instrumente wie Factoring und Kautionsversicherungen können helfen, finanzielle Engpässe frühzeitig zu überwinden und die operative Handlungsfähigkeit zu sichern.

Steigende Zinsen, unsichere Märkte und sinkende Kaufkraft: Die deutsche Wirtschaft steckt in der Rezession, die Zahl der Insolvenzen befindet sich auf einem nahezu zehnjährigen Höchststand. „Leider nutzen nach wie vor zu wenige Unternehmen das volle Spektrum an Maßnahmen, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen“, kritisiert Nils Wulff, Director Funded Solutions bei Aon Deutschland.

Wie wichtig rechtzeitiges Handeln ist, zeigt ein Beispiel aus der Praxis, bei der die Rettung buchstäblich in letzter Sekunde kam: Für zwei Gesellschaften einer Unternehmensgruppe sollte eine Factoringlösung erarbeitet werden, um den stockenden Cashflow so schnell wie möglich zu stabilisieren. Noch während der Umsetzung rutschte eine der Gesellschaften in die Insolvenz. Nur dank der spezialisierten Expertise gelang es selbst zu diesem Zeitpunkt noch, Teile der Gruppe zu retten.

Restrukturierungs- und Sanierungsfactoring als Rettungsanker

In Krisenzeiten kann Factoring ein wirksames Instrument zur Stabilisierung der Liquidität sein. Beim sogenannten Restrukturierungs- oder Sanierungsfactoring stellt eine spezialisierte Factoringgesellschaft auf die Werthaltigkeit der Forderungen ab – unabhängig von der Bonität des Unternehmens. Durch den Verkauf dieser Forderungen wird ein sofortiger Liquiditätszufluss erzielt, der es ermöglicht, dringenden finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

Auf solchen Lösungen bauen häufig sogar Sanierungspläne auf. In der Praxis finden sich Hinweise auf den zukünftigen Einsatz von Factoringprogrammen regelmäßig in sogenannten IDW S6-Gutachten, die die Fortführungsaussichten kriselnder Unternehmen beurteilen – positive Prognosen werden nur erteilt, wenn eine ausreichende Liquidität für in aller Regel die nächsten 24 Monate vorhanden ist.

Strategische Bilanz- und Risikooptimierung

Neben der reinen Liquiditätssicherung bietet Factoring weitere strategische Vorteile. Es kann Unternehmen dabei unterstützen, die Bilanzsumme zu reduzieren und dadurch die Eigenkapitalquote zu verbessern – ein entscheidender Faktor, um die eigene Bonität zu optimieren. Zudem ermöglicht der Verkauf von Forderungen den Schutz vor möglichen Ausfällen, indem das Delkredererisiko vollständig auf die Factoring-Gesellschaft übertragen wird. Ein Allheilmittel im Fall einer drohenden Insolvenz ist das Factoring zwar nicht – aber ein vielseitiges Instrument, das viel mehr kann, als einem Unternehmen nur kurzfristig Liquidität aus dem eigenen Cashflow zu verschaffen.

Auch im umgekehrten Fall, wenn ein Unternehmen selbst Lieferantenkredite gewährt, kann der Finanzierungsbedarf durch Reverse Factoring gedeckt werden. Dieses Instrument finanziert den selbst gewährten Lieferantenkredit, schafft zusätzlich Liquidität und trägt dazu bei, Absatzmodelle attraktiver zu machen. Verschiedene Anbieter haben bereits digitale Lösungen entwickelt, die die Implementierung dieser Dienste vereinfachen. Gleichzeitig erfordert eine forderungsbasierte Finanzierung in der Regel den Abschluss einer Kreditversicherung, die das eigene Portfolio absichert und das Unternehmen unmittelbar vor Vermögensschäden schützt.

Geschickter Einsatz aller Instrumente

Ergänzend dazu ermöglicht die Ablösung von Banksicherheiten durch den Versicherungsmarkt einen erweiterten Zugriff auf alternative Kreditlinien – ein Vorteil, da Versicherungen als Bürgschaftsgeber oft bessere Ratings als Banken aufweisen. Dr. Kai Engelsberg, Mitglied der Geschäftsleitung Aon Credit Solutions, betont: „Das alles ist vielleicht nicht wirklich neu – aber Unternehmen müssen sich heute mehr denn je mit dem Thema Liquidität beschäftigen. Und wir sehen, dass das häufig nicht früh genug geschieht.“ Bereits die Vermögensbetreuungspflicht der Unternehmensorgane erfordert ein frühzeitiges Handeln: Je eher Alternativen zur Finanzierung gefunden werden, desto größer bleibt der Handlungsspielraum. Sobald eine Liquiditätskrise eintritt, ist es häufig zu spät, noch effektiv zu reagieren.

Besser vorbeugend handeln

Wichtig ist, schon in guten Zeiten potenzielle Insolvenzrisiken zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Umsatzeinbrüche, volle Lager bei gleichbleibenden oder steigenden Kosten, Zinsanstiege und nachlassende Zahlungsmoral können Unternehmen schnell an den Rand einer Insolvenz führen. Verspätete oder ausbleibende Zahlungen führen zu großen Finanzierungslücken, die zwischenfinanziert werden müssen. Sobald Insolvenzgründe vorliegen, bleiben meist nur wenige Wochen, um die Liquidität wiederherzustellen – andernfalls droht der Insolvenzantrag. Ein durchdachtes Liquiditätsmanagement, das Instrumente wie Restrukturierungsfactoring, Reverse Factoring und Kautionsversicherungen integriert, kann den Unterschied zwischen einer nachhaltigen Sanierung und dem endgültigen Geschäftsaus stehen. Wer frühzeitig auf diese Lösungen setzt, erhöht die Chance, den finanziellen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen.

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Kontakt aufnehmen

Dr. Kai Engelsberg, LL.M.
Mitglied der Geschäftsleitung | Credit Solutions | Aon

Nils Wulff
Director Funded Solutions | Credit Solutions | Aon
+49 40 3605 3208

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