Hier schreiben regelmäßig Aon Expertinnen und Experten zu aktuellen Entwicklungen in den Themenfeldern Risiko, Kapital und Human Resources. Mit diesen Informationen und Erkenntnissen können Führungskräfte bessere Entscheidungen für ihr Unternehmen treffen.
Global handeln, klug absichern: Rechtssicherheit in internationalen Geschäften
Die Wahl des richtigen Gerichtsstands in internationalen Verträgen ist von entscheidender strategischer Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen. Diese Kernbotschaft prägte die von Aon initiierte Expertenrunde, an der Dr. Rodger Wegner, Geschäftsführer des Verein Hamburger Exporteure e.V., Hartmut Garz von Schulz Noack Bärwinkel sowie Dr. Kai Engelsberg und Malte Neuhaus von Aon teilnahmen.
Die oft übersehene Weichenstellung
Bei der Gestaltung internationaler Verträge liegt der Fokus oft auf den geschäftlichen Details – doch ein entscheidender Punkt gerät dabei leicht aus dem Blick: die Wahl des Gerichtsstands. „Die Praxis zeigt, dass dieser zentrale Aspekt internationaler Verträge häufig nicht die erforderliche Aufmerksamkeit erhält“, konstatiert Malte Neuhaus diese stiefmütterliche Behandlung kritisch. Seine Beobachtung bestätigt sich regelmäßig: „In Ausnahmefällen wird explizit nach dem Gerichtsstand gefragt – meist wird diese wichtige Entscheidung übergangen.“ Stattdessen übernehmen Unternehmen Vertragsklauseln oft unreflektiert aus Standardverträgen – nach dem Motto „ist schon immer so gewesen“. Dabei könnte eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu Beginn der Geschäftsbeziehung spätere Komplikationen effektiv vermeiden.
Strategische Ansätze für internationale Geschäfte
„Man muss immer erst beim anwendbaren Recht beginnen und sich fragen: Was wollen wir?“, betont Neuhaus. Die zentrale Überlegung laute dabei: „Was wollen wir für ein Recht? Welches Gericht soll darüber entscheiden?“ Beide Aspekte sollten unbedingt einheitlich sein und jeweils einen eigenen Satz im Vertrag bekommen. „Es ist zu vermeiden“, warnt Neuhaus, „dass das anwendbare Recht festgelegt wird, aber nichts zum Gerichtsstand steht.“
Der Stellenwert dieser Entscheidungen variiert je nach Konstellation: „Wenn zwei deutsche Parteien beteiligt sind, dann ist deutsches Recht komfortabel“, erläutert Neuhaus. Die Situation gestaltet sich jedoch deutlich komplexer, sobald eine Partei nicht deutsch ist. Die Festlegung von Gerichtsstand und anwendbarem Recht folgt häufig der Position des verhandlungsstärkeren Vertragspartners – oft wird „auf Wunsch des Kunden eingegangen“. In manchen Fällen bietet sich auch eine neutrale Option an, beispielsweise die Schweiz.
Die erste Frage eines Richters im Streitfall lautet nach Neuhaus stets: „Warum ich?“ Der Jurist „muss nach seinem nationalen Recht prüfen, ob er zuständig ist – oder einen Grund finden, warum er nicht zuständig ist.“ Im ungünstigsten Fall kann dies zu einem Prozessurteil führen, bei dem das Gericht erklärt: „Such dein Glück wo anders.“ Ein Szenario, das durch vorausschauende Planung vermeidbar wäre.
Internationale Rechtsdurchsetzung: Zwischen Sicherheit und Risiko
Die Umsetzung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen variiert je nach geografischem Kontext. Während in EU-Ländern „immer eine Chance besteht, etwas zu machen“, ist man bei weltweiten Geschäftsbeziehungen, wie Neuhaus es ausdrückt, „dann durchaus komplett auf hoher See“. Der Grund: Die Durchsetzung von Urteilen unterscheidet sich von Land zu Land: Während innerhalb der EU bewährte Mechanismen existieren und die USA „wenigstens vorgegebene Prozedere“ haben, „braucht man in China einen guten Kontakt vor Ort.“
Alternative Lösungsansätze
Angesichts dieser vielschichtigen internationalen Rechtslage kann ein neutraler Gerichtsstand eine optimale Lösung darstellen. Auch taktische Erwägungen spielen eine Rolle – etwa wenn im Land des Geschäftspartners ohnehin keine Vollstreckung möglich ist oder, wie Neuhaus pragmatisch anmerkt, „wenn sowieso nichts geholt werden kann“. Eine vorgeschaltete Mediation als Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren ist zwar „gut gemeint, aber nicht immer zielführend“, besonders wenn eine Seite Interesse an Verzögerungen hat. Dabei gilt es, die Verjährungsfristen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Praktische Unterstützung
Für die Realisierung dieser rechtlichen Überlegungen empfiehlt sich die Konsultation von Fachanwälten sowie der Industrie- und Handelskammern. Diese Experten können bei der Klärung von Vollstreckungsvereinbarungen und länderspezifischen Besonderheiten unterstützen und, wie Neuhaus betont, eine „belastbare Aussage“ zur rechtlichen Situation in verschiedenen Ländern treffen.
Besonderheiten verschiedener Rechtsordnungen
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Vergleich unterschiedlicher Rechtssysteme: Das UN-Kaufrecht beispielsweise unterscheidet sich deutlich vom deutschen Kaufrecht. Solche Divergenzen sollten bei der Wahl des anwendbaren Rechts berücksichtigt werden. Als Faustregel gilt: Das gewählte Gericht sollte sich an den vereinbarten Gerichtsstand halten.
Fazit
Die sorgfältige Wahl des Gerichtsstands und des anwendbaren Rechts ist keine juristische Formalität, sondern ein erfolgskritischer Faktor. Eine fundierte anfängliche Gestaltung dieser Parameter kann erhebliche spätere Komplikationen, Zeitaufwand und Kosten vermeiden. Die Investition in professionelle Beratung und eine gründliche Evaluation aller Optionen erweist sich dabei als unerlässlich – eine Erkenntnis, die alle diskutierten Aspekte durchzieht.