Update der EU-Produkthaftungsrichtlinie – die Produkthaftpflichtversicherung bleibt eine wichtige Säule der Risikoabsicherung für Unternehmen

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Der Gesetzgeber verfolgt zahlreiche Gesetzesinitiativen für einen höheren Verbraucherschutz. Als Teil dieser Initiativen wird die EU‑Produkthaftungsrichtlinie aktualisiert. Die derzeit in Kraft befindliche EU-Produkthaftungsrichtlinie stammt noch aus dem Jahr 1985 und ist die Grundlage für die Produkthaftung innerhalb der EU. Im Dezember 2024 wurde eine Novelle verabschiedet, die wesentliche Neuerungen zur Produkthaftung innerhalb der EU mit sich bringt. Sie modernisiert die bestehenden Vorschriften, indem sie Entwicklungen bei neuen Technologien, digitalen Systemen einschließlich KI und globalen Lieferketten berücksichtigt. Die Richtlinie muss nun von den nationalen Gesetzgebern aller EU-Mitgliedsstaaten mit einer Frist von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden.

Die neuen Regelungen aus der Richtlinie zielen auf einen höheren Verbraucherschutz ab, verschärfen gleichzeitig jedoch die Produkthaftung.

Die Richtlinie sieht weiterhin eine verschuldensunabhängige Haftung für fehlerhafte Produkte gegenüber natürlichen Personen, also insbesondere Verbrauchern, vor. Es ergeben sich aber zahlreiche Änderungen.

Personenschäden (Schäden durch Tod oder Körperverletzung) sind wie bisher Gegenstand der Haftung. Sachschäden sind wie bislang erfasst, jedoch wurde der Selbstbehalt bei Sachschäden von 500 EUR gestrichen. Die bisherige Haftungshöchstgrenze von EUR 85 Mio. wird ebenfalls gestrichen.

Als ersatzfähiger Schaden sind nun auch die Beschädigung oder der Verlust von Daten definiert. Die Haftung wird auch auf integrierte oder verbundene digitale Dienste wie z.B. die  Bereitstellung von Verkehrsdaten in einem Navigationssystem, die heutzutage vielfach integrierten Sprachassistenten oder Temperaturüberwachungsdienste ausgeweitet. Es können künftig z.B. Ansprüche auf Kostenersatz für die Rettung bzw. Wiederherstellung von Daten auch Gegenstand der Produkthaftung sein.

Maßgeblich für die Fehlerhaftigkeit des Produkts sind wie bisher die berechtigten Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit. Zukünftig sollen noch stärker die Anforderungen des Produktsicherheitsrechts inklusive Cybersicherheit berücksichtigt werden. Eine Fehlerhaftigkeit des Produkts kann z.B. auch dann vorliegen, wenn sicherheitsrelevante Software-Updates fehlen, die notwendig waren, um Schwachstellen bei der Cybersicherheit des Produkts (z.B. Programmierfehler, fehlerhafte Schnittstellen, etc.) zu beheben.

Unverändert gilt das Prinzip, dass der Anspruchsteller den Fehler, den Schaden und die Kausalität zwischen beiden beweisen muss. Allerdings sieht die Richtlinie neue Beweiserleichterungen bzw. Offenlegungspflichten vor. So kann z.B. die Fehlerhaftigkeit des Produkts und die Kausalität von Fehler und Schaden vermutet werden, wenn die Beweisführung aufgrund der wissenschaftlichen oder technischen Komplexität schwierig ist. Gerichte können unter bestimmten Umständen anzuordnen, dass relevante Beweismittel in notwendigem Umfang durch den Beklagten / das Unternehmen offenzulegen sind.

Der Kreis haftender Personen wurde ebenfalls modernisiert und auf neue Akteure ausgedehnt. Neben dem Hersteller, Quasihersteller und Importeur erweitert die Richtlinie den Kreis potenzieller Beklagter auch auf andere Wirtschaftsakteure wie Fulfillment- Dienstleister (z.B. Lager-, Verpackungs- und Versanddienstleister), Bevollmächtigte des Herstellers, wenn der Hersteller nicht in der EU ansässig ist und sogar Anbieter von Online- Marktplätzen. Als Hersteller gilt auch, wer ein Produkt außerhalb der Kontrolle des Herstellers wesentlich verändert.

Auch wenn die Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie von den Mitgliedstaaten noch erfolgen muss, ist bereits klar, dass die Bedingungen der Produkthaftpflichtversicherung überprüft und angepasst werden müssen. Abzuwarten bleibt, welchen Einfluss die modernisierte Produkthaftung auf die Produkthaftungsansprüche und in der Folge auf die Schadenbelastung von Produkthaftpflichtversicherungen hat. Prognosen dazu sind schwierig. Es ist zu jedoch erwarten, dass Rechtsanwaltskanzleien die modernisierte Produkthaftung für sich entdecken werden.

Aufgrund der erfolgten Änderungen wie der Erweiterung der erfassten Produkte und des Kreises der Haftungsadressaten (z.B. Online-Plattformbetreiber) ist die Produkthaftpflichtversicherung künftig für einen noch größeren Kreis von Unternehmen als Säule der Risikoabsicherung wichtig.

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Thomas Gahr
Director und Spartenleiter | Haftpflicht und Luftfahrt | Aon
+49 30 340004-2554

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