Hier schreiben regelmäßig Aon Expertinnen und Experten zu aktuellen Entwicklungen in den Themenfeldern Risiko, Kapital und Human Resources. Mit diesen Informationen und Erkenntnissen können Führungskräfte bessere Entscheidungen für ihr Unternehmen treffen.
Die betriebliche Krankenversicherung: Vorteile und Chancen in Zeiten von Inflation & Fachkräftemangel
Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) erfreut sich weiterhin einer großen Beliebtheit bei Arbeitgebern. Nach inhabergeführten Organisationen, welche den Mehrwert einer bKV für ihre Mitarbeitenden schon frühzeitig erkannt haben, interessieren sich jetzt auch vermehrt größere Unternehmen für betriebliche Gesundheitsleistungen im Rahmen einer bKV. So lautet die Einschätzung von Uwe Jüttner, Product and Carrier Manager bei Aon. Im Interview gibt der Experte für betrieblichen Gesundheitsschutz einen Einblick in die aktuelle Situation und erklärt, was Unternehmen bei der Einführung und Umsetzung beachten müssen.
Wie funktioniert die betriebliche Krankenversicherung?
Uwe Jüttner: Anders als in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) sieht der Gesetzgeber bisher leider noch keine Möglichkeit einer Durchführungsverordnung für eine betriebliche Krankenversicherung vor. Demzufolge entscheidet das jeweilige Unternehmen, wer für die Beitragszahlung aufzukommen hat.
Welche Möglichkeiten der Gestaltung gibt es?
Uwe Jüttner: Im Wettbewerb um neue Mitarbeitende und im Rahmen der Mitarbeiterbindung können Unternehmen entweder den kompletten Beitrag für den Gesundheitsschutz ihrer Angestellten übernehmen oder alternativ eine mischfinanzierte oder eine arbeitnehmerfinanzierte Variante wählen. Welcher der Finanzierungswege in Frage kommt, orientiert sich immer an den personalpolitischen Zielen und finanziellen Möglichkeiten eines Unternehmens. Sollen den Beschäftigten alle Vorteile einer bKV (z. B. Mitversicherung bestehender Vorerkrankungen, Einstieg in laufende Behandlungen) zur Verfügung gestellt werden, bietet sich allerdings ausnahmslos die obligatorische Vertragsgestaltung an.
Was müssen interessierte Unternehmen mit Blick auf die Einrichtung einer bKV beachten?
Uwe Jüttner: Die Einrichtung einer bKV ist eigentlich denkbar einfach. Zunächst wird zwischen dem Arbeitgeber und der Assekuranz ein Gruppenversicherungsvertrag geschlossen. Darin wird festgehalten, wer welche Leistungen erhält. Hier kann der Arbeitgeber beispielsweise bestimmen, ob alle Mitarbeitenden oder nur eine bestimmte Gruppe profitieren sollen. Dieser Leistungsanspruch sollte dann gegenüber den Mitarbeitenden in Form einer Versorgungsordnung oder Betriebsvereinbarung schriftlich festgehalten werden. Mit Beginn der bKV werden die Mitarbeitenden dann von dem Unternehmen angemeldet, während intern eine Lohnart angelegt wird. Die Beitragszahlung erfolgt monatlich und in der Regel im Lastschriftverfahren. Damit ist der Prozess der Ersteinrichtung bereits abgeschlossen. Die laufende Abwicklung sieht nur noch die An- und Abmeldung neuer oder ausscheidender Arbeitnehmender vor.
Wie stehen Sie zu den neuen Budget-Tarifen?
Uwe Jüttner: Ich bin tatsächlich ein Fan dieser Form von Leistungszusagen. Und auch bei den Mitarbeitenden sind diese beliebt, da sie hier ein Paket aus verschiedenen Gesundheitsleistungen erhalten. Darunter fallen beispielsweise Arznei- und Verbandsmittel, Sehhilfen, Naturheilkunde – also Heilpraktiker und Osteopathie – Zahnbehandlungen und Zahnersatz. Ein solches Leistungspaket hat den Vorteil, dass Mitarbeitende selbst bestimmen können, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen möchten.
Budget-Tarife können außerdem als Inflationsausgleich für steigende Gesundheitskosten genutzt werden und stellen somit eine Alternative zur Gehaltserhöhung dar. In Verbindung mit weiteren medizinischen Leistungszusagen (z. B. Vorsorge und privatärztliche Behandlung im Krankenhaus inkl. 1 oder 2-Bettzimmer ) bietet ein Budget-Tarif eben das sofortige, erlebbare Benefit.
Welche Vorteile bietet die betriebliche Krankenversicherung den Unternehmen?
Uwe Jüttner: Ich stelle in der Praxis immer wieder fest, dass die Arbeitnehmer, die eine bKV von ihrem Arbeitgeber vollfinanziert erhalten, nicht nur sehr schnell den Mehrwert erkennen, sondern sich auch besonders wertgeschätzt fühlen. Die bKV bietet also ein hervorragendes Instrument der Mitarbeiterbindung und -gewinnung und kann darüber hinaus die Gesundheit und Resilienz innerhalb der Belegschaft nachhaltig stärken.
Und wie steht es um die steuerliche Behandlung der betrieblichen Krankenversicherung?
Uwe Jüttner: Seit 2019 wird die betriebliche Krankenversicherung (bKV) vom Bundesfinanzministerium als Sachlohn anerkannt. Der Sachlohn wird als zusätzlicher Bonus zur Mitarbeitermotivation genutzt. Beliebte Formen sind Tankgutscheine oder eine Beteiligung an der Nutzung von Sporteinrichtungen wie Fitness-Studios. Aber auch zusätzliche Versicherungsleistungen in Form einer betrieblichen Krankenversicherung gelten als Sachlohn. Problematisch könnte es allerdings werden, wenn bereits andere Leistungen, wie zum Beispiel Tankgutscheine, als Sachlohnleistungen gewährt werden. Eine Umstellung ist in diesem Fall nicht immer einfach, weil rechtliche Grundlagen für eine Änderung geprüft werden müssen. Eine solche Leistung kann leider nicht einfach umgestellt werden; es muss dann erst eine Änderung der bestehenden Betriebsvereinbarung oder Versorgungsordnung erfolgen.
6 Tipps für die Einrichtung & Abrechnung einer betrieblichen Krankenversicherung*
- Bis 50 Euro pro Monat und Arbeitnehmenden ist der Sachbezug derzeit steuer- und sozialversicherungsfrei.
- Bei der Umsetzung der bKV sollte darauf geachtet werden, dass eine arbeitsvertragliche Regelung vorliegt.
- Voraussetzung ist, dass der oder die Mitarbeitende nur Anspruch auf die Versicherungsleistung einer bKV hat. Ein Anspruch auf einen Geldzuschuss für den Abschluss einer bKV schließt hingegen den Sachlohn aus.
- Wichtig ist, dass mit Überschreiten der Sachbezugsfreigrenze alle Sachbezüge steuer- und ggf. sozialversicherungspflichtig werden.
- Der Sachbezug kann dann nach §40 oder §37b Einkommenssteuergesetz (EstG) pauschal versteuert werden.
- Möglich ist auch eine Nettolohnversteuerung: Dabei wird das Bruttogehalt so weit erhöht, dass netto nach Abzug des Beitrags zur betrieblichen Krankenversicherung inklusive der dazugehörigen Steuern und Sozialabgaben der gleiche Nettolohn wie vorher verfügbar ist. Damit entsteht für den Arbeitnehmenden kein finanzieller Nachteil. Die Kosten für Steuern und Sozialabgaben der bKV übernimmt der Arbeitgeber. Das Unternehmen kann die Kosten für die bKV inklusive der Steuern und Sozialabgaben als Betriebsausgaben steuerlich geltend machen.
* Wichtig: Diese Tipps können eine individuelle Beratung durch einen Steuerberater sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht nicht ersetzen. Daher sollte jedes Unternehmen die optimale steuerliche Behandlung der bKV-Beiträge immer durch einen Experten final prüfen lassen.
Hier finden Sie weitere Informationen zur betrieblichen Krankenversicherung von Aon.
Hinweis: Dieses Interview wurde in Form eines Fachbeitrags auch im Handwerk Magazin veröffentlicht.