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Risiken in „non-admitted“ Verbotsländern versichern: Herausforderungen und Lösungsansätze für multinationale Unternehmen
Im Zuge der Globalisierung steigt der Bedarf nach internationalen Versicherungslösungen für Unternehmen. Viele Länder verbieten jedoch grenzüberschreitende Versicherungsdeckungen ohne lokale Zulassung des Versicherers. Hier darf dann kein Versicherungsschutz aus dem Ausland für ein lokales Risiko angeboten werden. Die Länder, die für die klassische Struktur der internationalen Versicherungsprogramme kritisch sind, werden als Verbotsstaaten (non-admitted Verbotsländer) bezeichnet. Verbotsländer sind daher solche Staaten, die eine Unterwerfung unter das eigene Aufsichtsrecht bereits dann verlangen, wenn ausländische Versicherer und Versicherungsnehmer im Ausland einen Versicherungsvertrag für ein im Lande befindliches Risiko abschließen.
Dieses Verbot gilt auch für die Anschlussdeckungen (Difference In Conditions/ Difference In Limits). Andernfalls würden der Versicherer und der Versicherungsnehmer gegen das geltende lokale Recht verstoßen. Derzeit zählen etwa 140 bis 160 Staaten zu den Verbotsländern. Ana Serdarevic, Aon Head of Transaction Advisory Services im Bereich M&A & Transaction Solutions, ist spezialisiert auf Verbotsländer und den Umgang mit ihnen. Im Interview erklärt sie, was Unternehmen beachten müssen und welche Lösungen es gibt.
Wie sollten multinationale Unternehmen in der Praxis die Risiken in Verbotsländern versichern?
Ana Serdarevic: Die ausländischen Tochtergesellschaften in Verbotsländern müssen so genannte „Stand-alone-Policen“ mit individueller Deckung, Selbstbeteiligungsregelungen, Haftungsgrenzen und Prämienstrukturen oder – im Rahmen der internationalen Versicherungsprogramme – eine lokale Police bei einem lokal zugelassenen Risikoträger abschließen und ausstellen lassen. Damit stellen sie sicher, dass alle regulatorischen und steuerlichen Anforderungen erfüllt werden.
In vielen Fällen ist die Lösung mit „Stand-alone-Policen“ jedoch nicht ausreichend, da das Unternehmen nicht in jedem lokalen Markt der verbotenen Länder das gewünschte oder benötigte Deckungsniveau erwerben kann. Wenn beispielsweise die Konzerndeckung in Deutschland eine Deckungskapazität von 100 Mio. Euro hat, werden die ausländischen Niederlassungen in Brasilien, Russland, Indien und China unserer Erfahrung nach keine so hohe Deckungskapazität auf dem lokalen Markt erhalten können.
Wie können Unternehmen die Deckungslücke zwischen der lokalen Deckung in einem Verbotsstaat und der Konzerndeckung dann ausgleichen?
Ana Serdarevic: Die FINC-Klausel (Financial Interest Cover) wurde als Alternative eingeführt, um internationale und konsolidierte Risiken von Unternehmen versicherbar zu machen. Gegenstand der Versicherung ist das finanzielle Interesse der Muttergesellschaft an ihren ausländischen Tochtergesellschaften, also die Beteiligung an ihren ausländischen Tochtergesellschaften.
Der Grundgedanke der FINC-Klausel besteht darin, die operativen Risiken der im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften des Konzerns in ein finanzielles Risiko der Muttergesellschaft zu übertragen. Im Rahmen der FINC-Klausel würde der Versicherer dann nur deutsche Risiken versichern, wobei die Versicherungsaufsichtsregelungen ausländischer Verbotsstaaten unberührt blieben. Die FINC-Klausel kann als Anschlussdeckung nach Ausschöpfung der lokalen Deckung oder als so genannter „Ground-Up“ ohne vorhergehende lokale Deckung eingesetzt werden.
Was sind die Voraussetzungen und welche Chancen und Risiken bieten sich Unternehmen durch die FINC-Klausel?
Ana Serdarevic: Der Vorteil der FINC-Klausel ist, dass das Unternehmen bei dem Deckungsausgleich zwischen der lokalen Deckung und der Konzerndeckung nicht gegen das geltende lokale Recht verstößt. Der Nachteil für die ausländische Niederlassung besteht darin, dass eine etwaige Versicherungsleistung ausschließlich an die Muttergesellschaft fließt, da diese Versicherungsnehmerin und Prämienschuldnerin ist.
Voraussetzung für eine Versicherungsleistung ist, dass sich der Schaden bei der ausländischen Tochtergesellschaft negativ auf die Konzernbilanz der Muttergesellschaft auswirkt. Es muss ein Vermögensverlust der Muttergesellschaft vorliegen, der in Deutschland kompensiert werden kann. Eine Herausforderung für die Muttergesellschaft, da sie den Nachweis der negativen Auswirkung auf die Bilanz zu erbringen hat, der jedoch in der Regel nur mit erheblicher Verzögerung zum Zeitpunkt des Verlustes erbracht werden kann.
Eine weitere Herausforderung besteht außerdem darin, dass die finanzielle Unterstützung für die Behebung des Schadens zu einer Erhöhung der Beteiligung führt, wenn nicht auch andere Gesellschafter Zahlungen leisten. Dies könnte dazu führen, dass die Meldeschwellen überschritten werden und die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots ausgelöst wird. Es gilt allerdings auch zu beachten, dass keinerlei juristische/administrative Unterstützung lokal gegeben ist, und bei Ansprüchen Dritter die Kosten für die Verteidigung fehlt (defence costs).
Wie beurteilen Sie die FINC-Klausel als Lösungsansatz für Verbotsländer vor dem Hintergrund der bestehenden Herausforderungen?
Ana Serdarevic: Die FINC-Klausel ist eine Alternative für die Muttergesellschaft, wenn der Einschluss einer Tochtergesellschaft in die Gruppenversicherung aus Compliance-Gesichtspunkten bedenklich ist. Es ist jedoch nicht vollkommen sicher, dass diese Lösung auch von den Behörden aller Verbotsländer anerkannt wird. Eine endgültige Lösung des Problems muss daher auf politischer Ebene gesucht werden.
Es ist zu hoffen, dass die politischen Entscheidungsträger mit den Versicherungsunternehmen, den Großunternehmen als Versicherungsnehmer und den internationalen Versicherungsmaklern auf eine Angleichung der nationalen Versicherungsaufsichtsgesetze und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Versicherungsaufsichtsbehörden hinarbeiten werden.