Krieg und Sachversicherung – Eine explosive Mischung?

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Spätestens seit dem 24. Februar 2022 ist mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine klar geworden: Ein echter Großkrieg unter Einsatz aller verfügbaren Technologien mit weitreichenden Zerstörungen ist auch im Europa des 21. Jahrhunderts kein Fall für die Geschichtsbücher, sondern bittere Realität.

Auch in anderen Regionen der Welt haben die Auseinandersetzungen zugenommen: Sei es in Israel/ Gaza-Streifen seit Oktober 2023, im Jemen, in dessen Bürgerkrieg zunehmend auch westliche Staaten involviert sind oder durch die wiederholten Kriege zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach.

Und über all dem schwebt die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zwischen China und den USA um die Unabhängigkeit Taiwans.

Neben den unfassbar menschlichen Tragödien stellt sich für Unternehmen leider die Frage nach den Auswirkungen auf Sachanlagen und Lieferketten. Diese können von solchen Konflikten ebenfalls betroffen sein. Schnell gerät auch die Sachversicherung in den Fokus.

Krieg – grundsätzlich ausgeschlossen 

Schon seit langem enthalten praktisch alle Sachversicherungsverträge einen Ausschluss für Schäden durch Krieg, Bürgerkrieg und ähnliche Ereignisse. Die Versicherer sind nicht bereit, Schäden aus solchen Ereignissen zu versichern, die eine Vielzahl von Verträgen gleichzeitig belasten würden und zudem schwer kalkulierbar sind. Bilder aus der Ukraine zeigen, wie ganze Städte in Trümmerwüsten verwandelt werden. Somit sind alle kriegsbedingten Sach- und Ertragsausfallschäden standardmäßig ausgeschlossen. Die üblichen Ausschlussformulierungen umfassen nicht nur unmittelbare Kriegseinwirkungen, sondern auch indirekte Schäden, wie beispielsweise durch Überschwemmungen infolge der kriegsbedingten Zerstörung eines Staudammes.

Länderausschluss – das neue Mittel der Wahl?

Gerade im Zusammenhang mit der Ukraine war zu beobachten, dass die Versicherer zusätzliche Maßnahmen ergriffen und die Ukraine zu den nächsten Vertragsfälligkeiten komplett aus dem Versicherungsschutz ausgeschlossen haben. D.h. auch Schäden aus nicht-kriegerischen Handlungen (z.B. ein Rohrbruch) werden nicht mehr versichert. Für Unternehmen mit Absicherungsbedarf in der Ukraine bleibt nur die Möglichkeit, sich vor Ort Sachversicherungsschutz einzukaufen, häufig jedoch nicht mit vergleichbarem Deckungsumfang wie zuvor über Deutschland.

Begründet wird der vollständige Ausschluss der Ukraine mit den Auswirkungen des Krieges auf alle Lebensbereiche: Personal für Wartung/Instandhaltung steht aufgrund von Flucht oder Kriegseinsatz nicht mehr im ausreichenden Maße zur Verfügung, Schadenregulierungen sind in Frontnähe nur schwer durchführbar und die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften in den Betrieben spielt bei der Unterstützung der Kriegsanstrengungen nur noch eine untergeordnete Rolle.

Für die Absicherung von Zulieferer-Risiken (z.B. Belieferung deutscher Unternehmen durch Lieferanten in der Ukraine), hat der Markt jedoch bisher noch keine Lösung gefunden.

Es bleibt abzuwarten, ob sich der Einsatz von Länderausschlüssen auch in zukünftigen Konflikten etablieren wird. Bisher sind vergleichbare Bestrebungen z.B. für Risiken in Israel, noch nicht im größeren Umfang zu beobachten. Sollte es jedoch z.B. zu politischen Unruhen oder gar zu einem Krieg um Taiwan unter Beteiligung Chinas und der USA kommen, ist mit entsprechenden Ausschlüssen zu rechnen, da dann Gebiete mit starken internationalen Verflechtungen auch nach Europa betroffen wären. In Versicherungskonzepten für Political Violence (inkl. Krieg) sind Ausschlussklauseln für Taiwan bereits häufig zu beobachten, auch die Versicherung von Risiken in Israel wird zunehmend problematisch. Die Ermordung des Hamas-Führers Ismail Haniyya in Teheran am 31.07.2024 dürfte die Lage im Nahen Osten weiter deutlich verschärfen und die Region damit noch stärker in den Fokus der Versicherer rücken. Neben den unmittelbar kriegsbedingten Schäden wie der Zerstörung von Gebäuden durch Beschuss gibt es vielfältige weitere Szenarien, die eine Auseinandersetzung mit dem Kriegsschaden-Ausschluss erfordern:

Wie ist beispielsweise mit Schäden durch Blindgänger umzugehen, die in Deutschland in manchen Regionen immer noch fast wöchentlich gefunden werden? Was passiert bei unbeabsichtigten Kollateralschäden wie zum Beispiel dem Einschlag einer fehlgeleiteten Rakete in Polen im November 2022? Oder welche Auswirkungen auf die Deckung hätten Sabotageakte auf Firmen in Deutschland, die die Ukraine mit Rüstungsgütern oder anderen Produkten unterstützen?

Blindgänger: Der deutsche Versicherungsmarkt hat umfangreiche Erfahrungen mit Schäden durch Blindgänger. So hat der Verband der Sachversicherer seinen Mitgliedern bereits 1949 empfohlen, sich bei Blindgängerschäden nicht auf den Kriegsschadenausschluss zu berufen. Auch fast 80 Jahre nach Kriegsende wird vielfach die Auffassung vertreten, dass der Kriegsschadenausschluss aufgrund des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs zu den Kriegsereignissen nicht mehr anwendbar ist. In der Praxis werden Blindgängerschäden in der Regel problemlos reguliert.

Kollateralschäden: Anders verhält es sich hingegen bei Kollateralschäden durch Kriegshandlungen. Der Kriegsschadenausschluss ist nicht auf Kriegsgebiete oder Kriegsparteien beschränkt, sondern umfasst alle durch Krieg verursachten Schäden. So sind Schäden durch fehlgeleitete Raketen, den Absturz von Kampfflugzeugen im Einsatz auf Betriebsgebäude oder durch die Explosion von Munitionslagern für die kriegsführenden Parteien in der Regel nicht vom Versicherungsschutz erfasst, auch wenn sie sich in anderen Ländern ereignen. Je weiter diese Schäden jedoch räumlich, zeitlich oder organisatorisch von den eigentlichen Kriegshandlungen entfernt sind, desto genauer ist die Anwendbarkeit des Ausschlusses im Einzelfall zu prüfen. In Deutschland wäre dann ggf. auf eine fast vergessene Rechtsprechung aus den späten 1940er Jahren zurückzugreifen, die sich nach Kriegsende mit verschiedenen Fragen zu diesem Thema zu befassen hatte.

Sabotageakte: Ein schwieriges Themenfeld ist die Deckung von Sabotageakten, wie zum Beispiel einem Brandanschlag auf einen deutschen Betrieb der Rüstungsindustrie oder die gezielte Unterbrechung der Energieversorgung. Zunächst ist davon auszugehen, dass diese Handlungen in der Regel verdeckt (ggf. auch durch nichtstaatliche Akteure) durchgeführt werden und es über die wahren Urheber und Hintergründe nur Spekulationen/Mutmaßungen gibt.

So sind beispielsweise die Hintergründe der Schäden an den Nordstream-Pipelines bis heute nicht eindeutig geklärt. Spekulationen über eine mögliche russische Urheberschaft gibt es auch in Zusammenhang mit dem Großbrand eines unter anderem in der Rüstungsindustrie tätigen Unternehmen in Berlin im Mai 2024.

Auch der zunehmende Einsatz von Drohnen als Waffe, die ohne große Vorbereitung oder militärische Infrastruktur innerhalb fremder Staatsgrenzen eingesetzt werden können, kann die Zuordnung der Täterschaft deutlich erschweren.

Hier kann es für die Versicherer schwierig werden, die Anwendbarkeit des Kriegs- oder Terror-Ausschlusses eindeutig zu beweisen und durchzusetzen. Liegen jedoch belastbare Indizien vor, ist davon auszugehen, dass diese Sachverhalte gerichtlich geklärt werden müssen.

Können die Taten aber definitiv einer Kriegspartei zugeordnet werden oder stehen in eindeutigem Zusammenhang mit einem Krieg (z.B. mit dem Ziel, die Belieferung des Gegners mit Waffen zu unterbinden), kommt auch hier die Anwendung des Kriegs-Ausschlusses in Betracht.

Fazit

Durch den etablierten Kriegsschaden-Ausschluss sowie die zunehmende Verwendung von Länder-Ausschlüssen haben die Sachversicherer die Deckung von Schäden in Kriegsgebieten stark eingeschränkt. Nur in besonderen Fallkonstellationen, die zeitlich oder räumlich weit von den eigentlichen Kriegshandlungen entfernt sind, kann unter Umständen Deckung bestehen, z.B. bei Blindgängerschäden. Eine genaue Prüfung im Einzelfall ist jedoch unumgänglich. Nur durch den Abschluss gesonderten Deckungen für Terror und politische Gewalt ist ein echter Versicherungsschutz auch für Kriegsrisiken möglich. Allerdings sorgen die Versicherer auch hier vor durch begrenzte Kapazitäten für politische Hochrisiko-Zonen, Territorialausschlüsse oder Ausschlussklauseln bei kriegerischen Handlungen zwischen den fünf Großmächten China, Russland, Frankreich, Großbritannien und den USA.

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