Jahresrückblick 2024: Transformation der Arbeitswelt, verschärfte Cyberrisiken und neue Absicherungsstrategien

Lesezeit: 9 Minuten

Was für ein Jahr! 2024 stellte deutsche Unternehmen vor eine regelrechte Welle an Herausforderungen: Der demografische Wandel, neue Anforderungen an Mitarbeiterbindung und Cybersicherheit sowie wachsende Klimarisiken erforderten innovative Lösungsansätze. Die Komplexität dieser Herausforderungen zeigte sich besonders in ihrer Gleichzeitigkeit. Ein Blick auf die wichtigsten Entwicklungen des Jahres ergibt jedoch: Es entstehen auch neue Lösungsansätze und Chancen.

Das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem  Erwerbsleben ist in vollem Gange, der Höhepunkt der Renteneintritte steht in den kommenden Jahren sogar erst noch bevor. Diese Entwicklung stellt Arbeitgeber vor die Herausforderung, jahrzehntelang aufgebautes Know-how zu bewahren. Denn: Gerade die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969 haben in vielen Unternehmen Schlüsselpositionen inne. Ihr Ausscheiden trifft auf einen ohnehin angespannten Arbeitsmarkt, auf dem qualifizierte Nachfolger immer schwerer zu finden sind.

Neue gesetzliche Möglichkeiten für flexible Übergänge

Eine wichtige Chance bietet der Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen seit Januar 2023. Wie unsere Experten im Detail analysieren, können Arbeitgeber und Mitarbeitende nun deutlich flexibler über den Renteneintritt hinaus zusammenarbeiten. Die bisherige Grenze von 6.300 Euro im Jahr ist weggefallen – inzwischen ist der Bezug der Rente trotz Weiterarbeit mit vollem Gehalt möglich. Auch eine Tätigkeit in Teilzeit ist denkbar, obwohl bereits eine Sozialversicherungsrente fließt. Diese Änderung betrifft sowohl die gesetzliche als auch die betriebliche Altersversorgung nach § 6 BetrAVG. Damit eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten für eine flexible Gestaltung des Übergangs in den Ruhestand.

Bei der praktischen Umsetzung sind umfangreiche rechtliche Anpassungen erforderlich. Arbeitsverträge müssen auf automatische Beendigungsklauseln beim Erreichen der Regelaltersgrenze überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden. Die betriebliche Altersversorgung erfordert häufig Anpassungen, besonders bei bestehenden Anrechnungsklauseln für Einkommen während des Rentenbezugs. Bei beitragsorientierten Zusagen muss geklärt werden, ob sich die Betriebsrente durch Weiterarbeit noch erhöhen soll. Auch die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte sind zu beachten: Die Tätigkeit ist nach Erreichen der Regelaltersgrenze gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei, wenn eine Vollrente bezogen wird.

Innovative Vergütungs- und Gesundheitskonzepte

Ein effektives Instrument zur Mitarbeiterbindung stellt die betriebliche Krankenversicherung für ältere Beschäftigte dar. Der anerkannte Zusammenhang zwischen Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit macht diesen Benefit besonders wertvoll. Arbeitgeber profitieren dabei von der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung als Sachlohn im Rahmen der 50-Euro-Freigrenze. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.10.2014 die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr als zulässig eingestuft. Für die betriebliche Krankenversicherung dürfte sich aus Expertensicht eine vergleichbare Situation ergeben.

Als weitere Maßnahmen kommen spezielle Überbrückungs- und Kompensationsmodelle in Betracht. Diese können als Ausgleich dienen, wenn etwa eine betriebliche Altersversorgung nach Erreichen der Altersgrenze nicht mehr bespart werden kann. Auch die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Weiterarbeit kann durch entsprechende Zahlungen kompensiert werden. Entscheidend ist dabei eine individuelle Abstimmung auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die Möglichkeiten des Unternehmens.

Der aktuelle Gallup-Bericht zeigt eine beunruhigende Entwicklung: Fast die Hälfte aller Beschäftigten zieht einen Jobwechsel in Betracht. Als Hauptgründe nennt die Studie eine zu hohe Arbeitsbelastung und Unzufriedenheit mit dem Arbeitgeber. Diese hohe Wechselbereitschaft kann in Zeiten des Fachkräftemangels sowohl Fluch als auch Segen für Unternehmen sein – je nachdem, wie attraktiv sie sich als Arbeitgeber positionieren.

Strategische Bedeutung von Nebenleistungen

Die Aon Fringe Benefits Studie 2023 offenbart die wachsende Bedeutung von Zusatzleistungen. Bereits heute messen 69 Prozent der befragten Unternehmen Benefits eine mittlere bis hohe Bedeutung zu. Noch deutlicher wird der Trend mit Blick in die Zukunft: 84 Prozent erwarten einen weiteren Bedeutungszuwachs. Diese Entwicklung wird durch die aktuelle wirtschaftliche Situation noch verstärkt, da Gehaltsanpassungen häufig nicht mit den Inflationsraten mithalten können.

Die Studie untersucht vier verschiedene Mitarbeitergruppen und deren spezifische Bedürfnisse, was eine gezielte Anpassung der Benefits ermöglicht. 81 Prozent der befragten Unternehmen planen konkrete Veränderungen in ihrem Benefits-Angebot in den nächsten zwei Jahren. Ein Obstkorb und ein attraktives Gehalt reichen längst nicht mehr aus – gefragt sind durchdachte, auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmte Konzepte.

Herausforderung Kommunikation

Ein überraschendes Ergebnis der Studie betrifft die interne Kommunikation: Etwa 66 Prozent der Mitarbeitenden verstehen den Umfang und Wert der ihnen gebotenen Benefits nicht oder nicht vollständig. Dies verdeutlicht, dass selbst die attraktivsten Zusatzleistungen ihre Wirkung verfehlen, wenn sie nicht verständlich kommuniziert werden. Erfolgreiche Unternehmen setzen daher auf eine transparente Kommunikation des monetären Werts ihrer Benefits und bieten regelmäßige Updates sowie individuelle Beratungsmöglichkeiten an.

Der Verzicht auf eine Due-Diligence-Prüfung im Bereich Cybersicherheit kann bei strategischen Transaktionen wie Fusionen und Übernahmen den Wert eines Unternehmens erheblich beeinträchtigen. Ein prominentes Beispiel verdeutlicht die möglichen Konsequenzen: Verizon reduzierte 2017 sein Übernahmeangebot für Yahoo Inc. um 350 Millionen US-Dollar, nachdem zwei massive Cyberangriffe drei Milliarden Nutzerkonten betroffen hatten. Auch der 13,6-Milliarden-Dollar-Deal zwischen Marriott International und Starwood Hotels geriet durch einen vierjährigen Hackerangriff in Gefahr.

Langfristige Folgen von Cybervorfällen

Cybervorfälle dieser Art führen häufig zu schwerwiegenden Reputationskrisen. Die Analyse von Reputationskrisen der letzten vier Jahrzehnte zeigt dramatische Auswirkungen: In über 12 Prozent der Fälle wurden mehr als 50 Prozent des Unternehmenswertes vernichtet, mit einem Gesamtverlust an Aktionärswert von 1,2 Billionen Dollar über 40 Jahre. Im Jahr nach einer größeren Reputationskrise können Aktionäre durchschnittlich 26 Prozent ihres Wertes verlieren. Die Folgen solcher Angriffe reichen dabei weit über den unmittelbaren finanziellen Verlust hinaus – verlorenes Kundenvertrauen lässt sich nur schwer wiederherstellen.

Chancen durch proaktives Risikomanagement

Interessanterweise können Unternehmen Cyber-Risiken in strategische Chancen umwandeln, indem sie proaktive Sicherheitsmaßnahmen ergreifen und Krisenpläne erstellen. Eine Cyberresilienz-Strategie ermöglicht nicht nur die schnelle Eindämmung potenzieller Vorfälle, sondern demonstriert auch potenziellen Übernehmern eine solide Führung und Risiko-Governance. Die proaktive Implementierung von Cybersicherheitsmaßnahmen wie Multi-Faktor-Authentifizierung und regelmäßige Bewertungen durch Dritte können dabei als positive Diskussionspunkte in M&A-Gesprächen dienen und sogar zu einer höheren Unternehmensbewertung führen.

Systematischer Ansatz zur Cyber-Absicherung

Das „Cyber Loop“-Modell von Aon bietet einen kontinuierlichen Kreislauf zur Optimierung des Cyber-Risikomanagements. Es umfasst vier zentrale Bereiche: Assessment zur Quantifizierung von Erkenntnissen, Vermeidung durch gezielte IT-Sicherheitsmaßnahmen, Transfer zum Schutz der Bilanz sowie Recover für den operationalen und finanziellen Verlustausgleich. Durch die Entwicklung relevanter quantifizierter Risikoszenarien und die Bewertung der Wirksamkeit von Kontrollen können Unternehmen so ihr Budget gezielt für maximale Widerstandsfähigkeit einsetzen.

Die Dringlichkeit verbesserter Cybersicherheit wird durch alarmierende Zahlen unterstrichen:
Seit 2019 haben Ransomware-Angriffe um mehr als 1.200 Prozent zugenommen. Dabei verschlüsseln Cyberkriminelle nicht nur Unternehmensdaten, sondern ziehen gleichzeitig sensible Geschäftsgeheimnisse ab. Diese doppelte Bedrohung erhöht den Druck auf Unternehmen, Lösegelder zu zahlen.

Erweiterte Pflichten und persönliche Verantwortung

Die EU-Richtlinie NIS2 verpflichtet Unternehmen zu erhöhter Cyber-Resilienz – und zwar auch solche, die nicht zur kritischen Infrastruktur gehören. Besonders bemerkenswert ist die explizite Betonung der persönlichen Verantwortung der Unternehmensführung. Cybersicherheit wird damit eindeutig als Managementaufgabe definiert, die nicht vollständig delegiert werden kann.

Jedes Unternehmen weist einen individuellen Cyber-Reifegrad auf. Daher ist es wichtig, zunächst den Status quo zu analysieren, um Prioritäten festlegen zu können. Entscheidend ist dabei der gezielte Einsatz finanzieller und personeller Ressourcen, da diese in den IT-Abteilungen häufig begrenzt sind.

Extremwetterereignisse und andere Naturkatastrophen werden immer häufiger und in immer mehr Regionen auftreten. Die Auswirkungen reichen von unterbrochenen Lieferketten durch niedrige Flusspegel bis zu großflächigen Verwüstungen durch Überschwemmungen oder Erdbeben. Klassische Versicherungen decken dabei nur etwa 42 Prozent der ökonomischen Schäden durch Naturkatastrophen in Deutschland ab.

Innovation in der Risikoabsicherung

Parametrische Versicherungen bieten einen innovativen Ansatz: Statt auf den Eintritt eines Sachschadens stellen sie auf vorab definierte Parameter ab – etwa Windgeschwindigkeit, Temperatur oder Niederschlagsmenge. Fast alle Klima- und Naturereignisse, die objektiv messbar sind, können als Grundlage dienen. Sogar das Pflanzenwachstum lässt sich über Vegetationsindizes per Satellit messen.

Die praktischen Einsatzmöglichkeiten sind breit gefächert: Von der Absicherung gegen Ernteausfälle in der Landwirtschaft über Kompensationen bei wetterbedingt verzögerten Bauvorhaben bis hin zu Geld-zurück-Garantien bei zu wenig Sonnenschein im Tourismus. Auch Regierungen und Kommunen nutzen diese Instrumente zunehmend, etwa zur Absicherung gegen Infrastrukturschäden durch Naturkatastrophen.

Dynamische Marktentwicklung

Der Markt für parametrische Versicherungen zeigt eine erhebliche Dynamik. Aktuell sind vor allem Rückversicherer, internationale Versicherer und Spezialversicherer in diesem Segment aktiv. Die Kapazitäten stehen dabei oft ergänzend zu klassischen Versicherungen zur Verfügung. Experten erwarten eine Entwicklung zum Standardprodukt, ähnlich der Evolution von D&O- und Cyber-Versicherungen.

Die Entwicklungen des Jahres 2024 verdeutlichen: Unternehmen müssen mehrere komplexe Transformationsprozesse gleichzeitig bewältigen. Der demografische Wandel erfordert neue Konzepte in der Personalarbeit, während die zunehmenden Cyberrisiken und Klimafolgen innovative Absicherungsstrategien notwendig machen.

Der Erfolg wird dabei zunehmend von der Fähigkeit abhängen, die verschiedenen Herausforderungen nicht isoliert zu betrachten, sondern in eine ganzheitliche Strategie zu integrieren. Die Bewältigung von Cyber- und Klimarisiken erfordert qualifizierte Fachkräfte, während innovative Versicherungslösungen die finanziellen Risiken in allen Bereichen reduzieren können.

Für 2025 zeichnet sich ab: Die Transformation wird sich weiter beschleunigen. Unternehmen, die jetzt die richtigen Weichen stellen, werden gestärkt aus dieser Phase hervorgehen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der proaktiven Gestaltung des Wandels – unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Instrumente und Strategien.

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