Betriebsrentenanpassungen in Zeiten stark gestiegener Inflation – für einige Unternehmen schmerzlich

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Im Juli stand für viele Unternehmen wieder einmal die nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) gesetzlich verpflichtende Überprüfung und ggf. Anpassung ihrer laufenden Betriebsrentenzahlungen an, die aufgrund des Inflationsanstiegs der letzten Zeit meist deutlich zweistellige Erhöhungsprozentsätze ausgemacht haben. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG  alle drei Jahre ab jeweiligem individuellem Rentenbeginn – wobei eine Bündelung auf einen Stichtag im Jahr, z. B. den 1.7., wie von einigen Unternehmen gewählt, zulässig ist – eine Anpassung aller laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung prüfen und hierüber nach billigem Ermessen, d. h. unter Einbezug und Abwägung der Belange sowohl der Versorgungsempfänger als auch der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers, entscheiden. Bei nachweislich schlechter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens besteht die Möglichkeit, eine Rentenanpassung zu Recht auszusetzen und bei späteren Anpassungsstichtagen nicht nachholen zu müssen (jedenfalls für Anpassungen, die nach dem 01.01.1999 zu Recht unterblieben sind).

Dabei gilt diese Prüfungsverpflichtung als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland (VPI) oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Prüfungszeitraum ist hierbei stets der gesamte Zeitraum vom individuellen Rentenbeginn bis zum aktuellen Prüfungs-/Anpassungsstichtag, nicht nur der Zeitraum seit der letzten Prüfung (also der letzten drei Jahre). Ziel dieser Prüfung bzw. Anpassung ist ein Ausgleich des Kaufkraftverlustes seit Beginn der ersten Rentenzahlung, d.h. es wird der Kaufkraftverlust vom individuellen Rentenbeginn bis zum aktuellen Anpassungsstichtag – entweder nach der prozentualen Entwicklung des VPI (auf Basis des aktuellen Basisjahres 2020 = 100, für Zeiträume vor 2002 auf Basis des damaligen Lebenshaltungskostenindex für 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalte mit mittlerem Einkommen) oder nach der Entwicklung der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens – ermittelt und die Erstrente entsprechend erhöht. Die Differenz zur zuletzt gezahlten Rente ist dann der diesjährige Anpassungsbetrag (unter der Annahme, dass es in den vergangenen Jahren keine rechtlich zu Recht unterbliebene Anpassung gab).

Für Rentenbeginne vor genau drei Jahren, also zum 01.07.2020, ergibt sich aufgrund der stark gestiegenen Inflation in den letzten Jahren, zum 01.07.2023 eine Erhöhung der laufenden Leistungen von 16,2 Prozent nach der Entwicklung des VPI in diesem Zeitraum. Die in der Praxis aufwändigere Feststellung der Nettolohnentwicklung (vergleichbare Arbeitnehmergruppen müssen festgelegt und deren Nettolöhne im entsprechenden Zeitraum betrachtet werden) kann derzeit zu einem niedrigeren Anpassungssatz führen. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass für länger zurück liegende Rentenbeginne trotz der zuletzt starken Inflation die Entwicklung des VPI (aus Sicht der Unternehmen) immer noch günstiger war als die der Entwicklung der Nettolöhne im selben Vergleichszeitraum. Lediglich für Rentenbeginne in den letzten 6-7 Jahren kann eine Umstellung auf die Nettolohnentwicklung bei der Anpassung eine Ersparnis für das Unternehmen bedeuten.

Diese oben beschriebene Prüfungs- und ggf. Anpassungspflicht entfällt, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet hat, die laufenden Leistungen jährlich mindestens um 1 Prozent anzupassen (in der Praxis sehen die Versorgungsregelungen in deutlicher Mehrheit dann auch genau die 1 % p.a. vor). Dies ist allerdings nur zulässig, sofern es sich um laufende Leistungen handelt, die auf Versorgungszusagen beruhen, die nach dem 31.12.1998 erteilt wurden. Für vor 1999 erteilte Zusagen ist, selbst wenn in der Zusage eine (mind.) 1 % p.a.-Rentenanpassung vorgesehen ist, die dreijährige Anpassungsüberprüfung und ggf. Anpassung gemäß VPI- bzw. Nettolohnentwicklung zusätzlich durchzuführen. Die Prüfungs- und ggf. Anpassungspflicht gemäß VPI- bzw. Nettolohnentwicklung entfällt ebenfalls, wenn die betriebliche Altersversorgung über die Durchführungswege Direktversicherung oder Pensionskasse durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentnerbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde. Bei einer betrieblichen Altersversorgung via Entgeltumwandlung muss der Arbeitgeber die laufenden Leistungen jährlich mind. um 1 Prozent anpassen, oder es müssen – im Falle der Durchführungswege Direktversicherung oder Pensionskasse – sämtliche Überschussanteile zur Erhöhung der Leistungen verwendet werden.

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Björn Ricken
Chief Actuary Aon Wealth Solutions
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