Hier schreiben regelmäßig Aon Expertinnen und Experten zu aktuellen Entwicklungen in den Themenfeldern Risiko, Kapital und Human Resources. Mit diesen Informationen und Erkenntnissen können Führungskräfte bessere Entscheidungen für ihr Unternehmen treffen.
Teilen ist Trend: Das große Potenzial vom Jobsharing
Die Arbeitswelt wird immer flexibler – New Work ist das Schlagwort der Zeit. Dabei hat die Corona-Pandemie den Entwicklungen nochmals einen kräftigen Schub verpasst. Unabhängigkeit, Flexibilität und eine ausgewogene Work-Life-Balance sind heute wichtiger denn je. Neben Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice gibt es weitere vielversprechende Trends bei flexiblen Arbeitsmodellen. Eines davon – in Deutschland noch relativ unbekannt – ist das Jobsharing. Als strategisches HR-Instrument genutzt bietet es großes Potenzial für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Jobsharing: Mehr als nur Teilzeitarbeit
Jobsharing bezeichnet ein Arbeitsmodell, bei dem sich mehrere Mitarbeitende im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses eine Vollzeitstelle teilen und geht damit über die klassische Teilzeitarbeit mit voneinander unabhängigen Stellen hinaus. Arbeitnehmer teilen sich hier als eine Art „Tandem“ nicht nur Arbeitszeiten, sondern auch Verantwortungsbereiche, komplexe Fachfunktionen oder Aufgaben und erfüllen so gemeinsam die vertraglich festgelegte Gesamtarbeitszeit der Vollzeitstelle. Die gesetzliche Grundlage für das Jobsharing-Modell liefert dabei das § 13 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Mitarbeitende einer geteilten Stelle haben einen eigenen Arbeitsvertrag und individuellen Anspruch auf Urlaub und Gehalt.
Hierzulande könnte ein solches Modell durchaus Zukunftspotenzial haben, denn bereits die herkömmliche Teilzeitstelle ist beliebt. Im europaweiten Vergleich belegt Deutschland immerhin den vierten Platz beim Arbeiten in Teilzeit. Doch im Gegensatz zur klassischen Teilzeitstelle, die derzeit nur selten für Führungspositionen geeignet ist, bietet Jobsharing Mitarbeitenden viel mehr Möglichkeiten, verantwortungsvollere Rollen oder sogar Führungsstellen zu besetzen, ohne dafür in Vollzeit tätig sein zu müssen. Allerdings besteht hier noch Nachholbedarf: Denn theoretisch ermöglicht zwar derzeit knapp ein Drittel der Unternehmen Jobsharing-Modelle, jedoch wissen die meisten Arbeitnehmer oft gar nichts von einem solchen Angebot.
Geballte Power: Vorteile für Unternehmen und Mitarbeitende
In der Regel profitieren sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer von Jobsharing-Angeboten. Vorausgesetzt das Modell wird strategisch eingesetzt und richtig durchdacht. Dann können die doppelte Erfahrung, Kompetenz und Motivation dem Unternehmen einen enormen Mehrwert liefern. So ermöglicht das Jobsharing Arbeitsaufteilung und Arbeitszeiten flexibel und individuell anzupassen und zu variieren, um auch kurzfristigen Anforderungen gerecht zu werden. Damit keine wichtigen Dinge vergessen oder übersehen werden, ist es ratsam, mindestens einen Überscheidungstag für Übergaben und Abstimmungen einzuplanen. Werden die Jobs zusätzlich nach individuellen Stärken und Präferenzen aufgeteilt, kann Jobsharing das Engagement und die Produktivität langfristig fördern und somit die Zufriedenheit und Bindung von Mitarbeitenden stärken. Arbeitnehmer, die sich eine Stelle teilen, ergänzen sich dabei nicht nur, sondern können auch gegenseitig voneinander lernen. Das Ergebnis: Höhere Innovation und Kreativität dank mehrerer Perspektiven und Talente sowie eine geringere Fehleranfälligkeit. Arbeitgeber profitieren zudem von einem optimalen Ausgleich bei Urlaub oder im Krankheitsfall, was besonders bei wichtigen Stellen ein ungemeiner Vorteil ist. Und: Die geteilte Verantwortung kann schließlich auch der Mitarbeitergesundheit zugute kommen, da beim Jobsharing in der Regel ein geringeres Risiko für Stress und Überlastung besteht.
Gibt es auch Nachteile?
Unternehmen, die Jobsharing als flexibles Arbeitsmodell anbieten möchten, müssen sich über einen höheren Verwaltungs- und Organisationsaufwand im Klaren sein und auch die höheren Lohn- und Nebenkosten für eine Vollzeitstelle berücksichtigen. Zudem besteht das Risiko, dass zwei Mitarbeitende, die sich eine Stelle teilen, nicht gut zusammenarbeiten oder sich nicht koordinieren können, weil die Stärken und Persönlichkeiten nicht zueinander passen. Eine strategische Planung, zusätzlicher Zeitaufwand und anfängliche Betreuung sollten demnach bei jeder Besetzung eingeplant werden.
Jobsharing hat viele Gesichter – Welche Formen gibt es?
Grundsätzlich können Arbeitgeber verschiedene Jobsharing-Modelle mit unterschiedlichen Zeitaufteilungen anbieten. So gibt es neben der klassischen 50/50-Aufteilung einer Vollzeitstelle auch andere Konstellationen wie 30/70, 40/60 oder 20/80. Diese Flexibilität ermöglicht es Arbeitgebern Mitarbeitenden maßgeschneiderte Angebote zu machen. Darüber hinaus sind auch Aufteilungen von 60/60 oder 70/70 Prozent denkbar, bei denen eine besonders arbeitsreiche, komplexe oder verantwortungsvolle Vollzeitstelle zu mehr als 100 Prozent besetzt wird. Die zeitliche Überschneidung kann dabei für Team-Arbeit und Abstimmungen genutzt werden.
Wichtige Rahmenbedingung für die erfolgreiche Umsetzung
Damit das Modell zum Erfolg wird, sollten bei der Planung und Umsetzung ein paar Dinge beachtet werden. So muss das flexible Arbeitsmodell zunächst einmal zur jeweiligen Unternehmenskultur passen. Ist das der Fall, gilt es entsprechende strukturelle Rahmen aufzusetzen, Möglichkeiten inner- und außerhalb des Unternehmens zu kommunizieren und geeignete Bewerbungsprozesse zu entwickeln, die zueinander passende Mitarbeitende identifizieren. Dazu gehören fundierte Auswahlgespräche und Matching-Prozesse. Arbeitgeber sollten auch berücksichtigen, dass nicht jede Person für eine geteilte Arbeitsstelle geeignet ist. So benötigen Mitarbeitende Kommunikations- und Koordinationstalent, ein hohes Maß an Flexibilität, Kooperations- und Kompromissbereitschaft und Vertrauen in den Tandem-Partner. Haben sich Teams oder Paare für eine Vollzeitstelle gefunden, sollte ihnen zudem eine „neutrale“ dritte Person als Vertrauensinstanz begleitend zur Seite stehen, ohne dass diese sich in die Arbeit der Tandem-Partner einmischt.
Unternehmen, die sich flexiblen Arbeitsmodellen öffnen, positionieren sich ohne Zweifel als attraktive und innovative Arbeitgeber am Markt und können sich so in Zeiten des Fachkräftemangels langfristig Talente sichern. Jobsharing bietet dabei eine Möglichkeit, die – richtig umgesetzt – zu einem wahren Erfolgsmodell in deutschen Unternehmen werden könnte und auch die Vereinbarkeit von Familie und Führungspositionen revolutionieren könnte.
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