Markt-report 2022
Der deutsche Versicherungsmarkt
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Editorial
Was viele lange Zeit für undenkbar hielten, ist Realität geworden: Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in Europa. Neben dem unfassbaren menschlichen Leid verschärft der russische Angriff auf die Ukraine auch die wirtschaftlichen Unsicherheiten weltweit. Viele Themen, die in den letzten Jahren die Entwicklung von Unternehmen maßgeblich beeinflusst haben, treten in den Hintergrund. Als Stichpunkte seien hier die Covid-19-Pandemie und der Brexit genannt. Der Austritt Großbritanniens aus der EU ist erst knapp zwei Jahre her, aber aus der öffentlichen Wahrnehmung bereits verschwunden.
Die Auswirkungen des Krieges sind für nahezu alle Unternehmen zu spüren, sei es unmittelbar oder mittelbar. International aufgestellte Unternehmen mit Bezug zu Russland, Belarus und der Ukraine müssen ihr Engagement in diesen Ländern überdenken und ihren Umsatzausfall kompensieren oder Ersatz für nicht weiter betriebene Produktions- und Vertriebsstätten organisieren. Lieferketten, die durch die Corona-Pandemie bereits strapaziert wurden, geraten weiter unter Druck. Zulieferprodukte und Rohstoffe, die schon vor Kriegsbeginn teuer und knapp waren, haben einen weiteren Preisschub erfahren. Die Energiekosten gehen durch die Decke und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Betroffen sind davon nicht nur energieintensive Produktionsbetriebe. Die hohen Strom- und Gaspreise nehmen zahlreichen Unternehmen die finanziellen Spielräume für notwendige Zukunftsinvestitionen.
Die Preissteigerungen und die damit verbundene Inflation haben auch unmittelbar Auswirkungen auf die Versicherungsindustrie. Der anhaltende Preisauftrieb macht die Regulierung eines Einzelschadens extrem teuer. Wiederaufbauten und Reparaturen werden aufgrund der steigenden Material- und Arbeitskosten aufwendiger und dauern länger. Diese Situation wird durch die klimabedingten, steigenden Schadenzahlen noch zusätzlich verschärft. Die Auswirkungen des Sturmtiefs „Bernd“ sind bis heute noch nicht überwunden.
In diesem Kontext ist auch die „soziale“ Inflation zu erwähnen, die höhere Schadenzahlungen auch im Bereich der Haftpflicht- und Financial Lines-Versicherung verursacht. Unternehmerfeindliche Stimmungen, die Verstärkung der Prozessfinanzierungsbranche und gesetzlich festgelegte Entschädigungshöhen und Haftungsregime führen zu deutlich höheren Entschädigungsleistungen und Anwaltskosten, die nicht nur Unternehmen zu schaffen machen, die einen starken US-Bezug haben.
Die Versicherungswirtschaft reagiert auf die geschilderten Szenarien mit einem reduzierten Risikoappetit. Eine Tendenz, die bereits in den Vorjahren begonnen hat und sich auch in diesem Jahr weiter fortsetzt. Das zeigt sich insbesondere in Form von Erhöhungen auf der Prämienseite und Verringerung der Deckungskapazitäten auf Einzelrisiken. Festzustellen ist allerdings auch, dass es vonseiten der Versicherungswirtschaft kein wirklich einheitliches Vorgehen gibt, sodass es zunehmend herausfordernder wird, den bisher gewohnten und bewährten Versicherungsschutz sicherzustellen.
Besonders deutlich wird das im Bereich Cyber. Hier bewerten die Versicherer schon die Anforderungen an die IT-Sicherheit der Unternehmen als Voraussetzung der Versicherbarkeit des Risikos unterschiedlich. Das inhomogene Vorgehen der Versicherer macht es für die Wirtschaft daher nicht einfach, sich einen Überblick über Umfang und Inhalt ihres Versicherungsportfolios zu verschaffen bzw. diesen zu behalten.
Als Partner an Ihrer Seite unterstützen wir Sie gern. Mit dem gesamten Spektrum unserer Risikotransferlösungen sind wir zuversichtlich, mit der gebotenen Sorgfalt den benötigten Versicherungsschutz für Sie aufbauen zu können.
Hartmuth Kremer-Jensen
Chief Broking Officer D-A-CH | Deputy CEO Germany
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Marktreport die Sprachform des generischen Maskulinums verwendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist. Dies soll keinesfalls eine Geschlechterdiskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zum Ausdruck bringen.