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Das passiert 2023

Sachversicherung

Der industrielle Sachversicherungsmarkt wird im Jahr 2023 nicht im selben Sanierungsmodus der vergangenen Jahre verharren. Gleichwohl die Zinsentwicklung Medizin für die Erstversicherer ist, kann dem verhärteten Marktzyklus noch kein Ende attestiert werden. Die Schadenkostenquote des Vorjahres zeigt sich mit 102 Prozent* deutlich verbessert. Schäden durch Naturgefahren, erhöhte Wiederherstellungskosten durch Inflation und verlängerte Wiederaufbauzeiten durch infizierte Lieferketten hatten erheblichen Einfluss auf die Schadenaufwendungen und verhinderten ein besseres Ergebnis. Diese Faktoren verbleiben auch für 2023 und sorgen insbesondere dafür, dass Kapazitäten je nach Betrachtungswinkel weiterhin diszipliniert oder aber restriktiv zur Verfügung gestellt werden. Die Risikoqualität bleibt daher weiterhin der entscheidende Faktor, um Versicherer in eine Wettbewerbssituation zu bringen. Preiserhöhungen durch inflationsbedingte Erhöhungen der Versicherungswerte sind nicht aus den Augen zu verlieren, aber der Wunsch zur Sicherung des Bestandes und der zunehmende Wettbewerb werden insbesondere im globalen Segment im Jahr 2023 stärkeren Einfluss auf die Preisgestaltung der Versicherer nehmen als bisher.

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Haftpflichtversicherung

Der Markt für Haftpflichtversicherungen zeigt sich für die Unternehmen nicht einheitlich. Für 2023 deutet sich für komplexe Risiken (z. B. Kfz-Zulieferer, Chemie- und Pharmaindustrie, Medizinproduktehersteller und Unternehmen mit umfangreichem US-Risiko) keine Entspannung an. In den Vertragsverlängerungen im Jahr 2022 ergriffen Versicherer bei komplexen Risiken ein Bündel von Maßnahmen. Hierzu zählten z. B. Prämienerhöhungen, Anpassungen von Selbstbeteiligungen und Einschränkungen im Deckungsumfang. Bei Unternehmen mit komplexen Risiken sind reduzierte Kapazitäten einiger Versicherer festzustellen. Bei Industrieunternehmen bis hin zum sogenannten Upper Middle Market wollen viele Versicherer im Jahr 2023 wachsen. Der Faktor „Risikoqualität“ und die technische Beurteilung des Risikos spielen dabei für den Risikoappetit der Versicherer eine immer stärkere Bedeutung. Soweit bis dato erkennbar, dürften die Prämienmehr­forderungen 2023 moderater ausfallen. Versicherer begründen Prämienmehrforderungen sowohl mit der Inflation als auch der steigenden Schadenentwicklung, insbesondere bei US-Risiken. Gleichermaßen führen die höheren Schadenkosten auch zu höheren Worst-Case-Szenarien für die Unternehmen. Die Prüfung der adäquaten und der eingekauften Versicherungssumme wird deshalb immer wichtiger.

D&O

2023 wird ein spannendes Jahr für alle D&O-Marktteilnehmer. Einerseits spüren wir wieder einen Wettbewerb der Anbieter, was sinkende Preise vermuten lässt. Andererseits sind wir mit externen Faktoren, wie der auslaufenden Pandemie, der Inflation, Problemen in den Lieferketten sowie der Energiekrise, die das Risiko auch für insolvenzbedingte D&O-Ansprüche erhöhen, konfrontiert. Diese Einflüsse von außen bringen Unwägbarkeiten für Umfang und Kosten des D&O-Versicherungsschutzes mit sich. Die dramatisch dargestellte Situation der Versicherer in Bezug auf D&O-Schadenquoten entspannte sich mit der notwendigen Korrektur der D&O-Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Oktober 2022 – und zwar rückwirkend für die vergangenen Jahre. Risikoträger wagen sich verstärkt an Neugeschäft und bewerben sich vermehrt um die Führung großer D&O-Programme. Internationale Versicherungsprogramme für multinationale Konzerne können zunehmend angeboten werden. Mehrjahresverträge sind grundsätzlich wieder verhandelbar, bieten Planungssicherheit, sollten jedoch wohl abgewogen werden, da das Prämienniveau teils (noch) unverändert hoch ist. Versicherer bewerten die D&O-Risikoqualität eines Unternehmens individuell. Risikofaktoren sind z. B. Branche und Internationalität. Die Versicherereinschätzung entscheidet über die Höhe von Prämien, Versicherungssummen und Deckungsumfang. Zeichnungsrichtlinien der Risikoträger aufgrund umweltpolitischer Verantwortung im Rahmen eigener ESG-Ziele (Environmental, Social, Governance) können zur Kapazitätenknappheit führen (z. B. Kohlekraftwerke). Ein strategisch geplanter, transparenter Informationsaustausch mit den Marktteilnehmern und ein guter Zugang zum Markt bleiben Schlüsselfaktoren für einen bestmöglichen D&O-Versicherungsschutz.

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Warentransportversicherung

Zur Jahreswende haben sich die Warentransportversicherer auf die Durchsetzung von Bedingungsanpassungen konzentriert und gleichzeitig inflationsbegründete Prämienanpassungen gefordert. Im Ergebnis sind die Prämien leicht angestiegen – im Marktdurchschnitt im mittleren einstelligen Bereich. Versicherer fordern teils Ausschlüsse von Transporten und Lagerungen von, nach, durch und innerhalb der Länder Ukraine, Russland und Weißrussland. Hieraus können erhebliche Deckungslücken für Kunden entstehen. Kunden kritisieren insbesondere ein pauschales und nicht kundenspezifisches Vorgehen der Versicherer. Makler können nach Sanktionsprüfung in gewissem Umfang für definierte Transporte und Transportstrecken Ausschlüsse abbedingen. Branchen mit Bedarf an Rohstoffen, die durch die Lieferkettenproblematik und gestiegenen Preise deutlich höhere Versicherungssummen als bisher benötigen (insbesondere für Seetransporte), müssen sich auf Zusatzprämien einstellen. Aus Kapazitätsgründen werden auch in der Warentransport­versicherung zunehmend Excess-Deckungen platziert. Für ausgewählte Branchen wird es aus Kapazitätsgründen notwendig, internationale Erst- und Rückversicherungsmärkte bei Platzierungen einzubinden.

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Technische Versicherungen und Construction

Für die meisten Zweige deuten sich keine generellen Preiserhöhungen des Gesamtbestands an. Dennoch werden die Versicherer für Verträge, die eine hohe Schadenquote ausweisen, konsequenter denn je fordern, die Preise und Selbstbehalte zu erhöhen oder die Bedingungen einzuschränken. Und das auch, wenn sie den Vertragsverlust in Kauf nehmen müssen. Die bereitgestellten Deckungskapazitäten sind weiterhin ausreichend. Die Platzierung von komplexeren Risiken, wie z. B. Offshore, Seekabel, Gasturbinen oder Kohlekraftwerke, mit hohem Maximalschadenpotenzial bleibt eine große Herausforderung. Hier zeichnen die Versicherer vor dem Hintergrund allgemein negativer Schadenerfahrungen eher etwas niedrigere Anteile und versuchen, die Preise hochzuhalten und/oder den Deckungsumfang einzuschränken. Gleiches gilt auch für klassische Bauprojekte im Hochbau, für Refurbishment-Projekte (Renovierung, Umbau oder Sanierung) und für Industrie-Anlagen mit hohem Maximalschadenpotenzial. Bei der Absicherung komplexer Risiken kommt es immer mehr auf gute Risikotransparenz und erstklassige Marktzugänge an.

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Terrorversicherung

Der Russland-Ukraine-Krieg wird auch im Jahr 2023 Auswirkungen auf die Terror- und insbesondere auf die Political Violence-Versicherung haben. Durch die im vergangenen Jahr eingetretenen Kriegsschäden haben einige Versicherer ihre Kapazitäten eingeschränkt bzw. sich komplett vom Markt zurückgezogen.

Als Folge des Kriegs und der damit verbundenen Inflation wird es im Jahr 2023 wahrscheinlich weiterhin vermehrt zu Unruhen kommen. Die Prämie einer Terrorversicherung ist immer abhängig von den aktuellen wirtschaftlichen und politischen Ereignissen eines Landes. Als Folge dessen wird damit gerechnet, dass einige Versicherer ihre Kapazitäten weiter reduzieren und das Prämienniveau eher steigen wird. Auch das Thema ESG (Environmental, Social, Governance), also die Berücksichtigung der Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung der zu versichernden Unternehmen, rückt weiter in den Fokus der Versicherer. Unternehmen, die sich nicht bzw. nur eingeschränkt an die ESG-Vorgaben der Versicherer halten können, werden zukünftig oftmals nur einen „eingeschränkten“ Versicherungsschutz erhalten.

* Industrielle Sachversicherung, Hochrechnung 3. Quartal 2022 Quelle GDV