Steuererleichterung bei der Mitarbeiterbeteiligung: Eine Chance für die deutsche Start-up Kultur?

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Jedes Land braucht Innovationen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Dabei spielen talentierte Fachkräfte und neu gegründete Unternehmen, insbesondere in der Technologie-Branche, eine wichtige Rolle. Eine ausgeprägte Start-up Landschaft bedeutet daher viel Potenzial für die Wirtschaftskraft eines Landes und das nicht zuletzt in Krisensituationen, wie der Corona-Pandemie. Immerhin planten 90 Prozent der Start-Ups Neueinstellungen während der Krise, was sie zu wertvollen Arbeitgebern macht. Doch Gründer sind auf Hilfe angewiesen. Sendungen wie die Höhle der Löwen zeigen, dass Investoren umkämpft sind und wie wichtig die Beteiligung weiterer Eigentümer für ein junges Unternehmen sein kann. Im Vergleich zu anderen Ländern hinkt Deutschland mit seiner Start-up-Kultur jedoch noch weit hinterher. Wenn wir aber Innovationsreichtum wünschen, müssen die Weichen dafür gestellt werden. Ein erster Schritt in die richtige Richtung könnte ein neues Gesetz sein, das heute (1. Juli 2021) in Kraft tritt: Mit dem Fondsstandortgesetz (§ 19a EstG) soll es Mitarbeitern fortan erleichtert werden, sich an jungen Unternehmen zu beteiligen.

Neues Gesetz soll Start-up-Kultur beflügeln

Die eingeführte Neuregelung richtet sich ausschließlich an die sogenannten Start-ups. Start-ups sind junge Unternehmen, die im Rahmen einer innovativen Geschäftsidee gegründet wurden. Zu Beginn verfügen sie meist über ein sehr knappes Startkapital, weshalb sie auf eine rasante Ausweitung ihres Geschäfts, Venture-Kapital und Förderungen von außen angewiesen sind. Sie sind nicht älter als zwölf Jahre, mit ihren Produkten und Geschäftsmodellen höchst innovativ, beschäftigen weniger als 250 Mitarbeiter und erzielen entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro. Kennzeichnend für Start-ups ist außerdem, dass sie nach einem schnellen Mitarbeiter- und Umsatzwachstum streben. „Wir erleben gerade eine digitale Revolution ähnlich der industriellen Revolution und die Geschwindigkeit der Veränderung nimmt exponentiell zu. Junge und innovative Unternehmen bilden dabei unser Kapital der Zukunft“, erklärt Ian Karcher, der als Associate Partner Central Europe den Bereich Human Capital Solutions bei Aon verantwortet „Was Startups brauchen, ist vor allem eine starke Eigentümer-Kultur und eine Struktur, die sich entwickeln kann. Die neue Regelung schafft dafür Luft zum Atmen.“

Geringe Besteuerung hat Silicon Valley erst möglich gemacht

Um eine Start-up-Kultur wie die in anderen Ländern zu entwickeln, besteht in Deutschland jedoch noch Handlungsbedarf. „Der Staat hat in der Vergangenheit bei den ersten Ansätzen einer erfolgreichen Unternehmensgründung die Hand aufgehalten, anstatt Freiheiten zu schaffen – auch finanzieller Natur“, so Ian Karcher. „Geringe Besteuerung hat aber bereits vor 40 Jahren das Silicon Valley ermöglicht; das neue Gesetz wird nun sicherlich auch in Deutschland endlich positive Spuren hinterlassen.“

Wurden Mitarbeiter in der Vergangenheit an einem Unternehmen beteiligt und zahlten für die Übertragung der Beteiligung keine Zuzahlung oder nur einen Wert, der unter der Beteiligung lag, mussten sie für den Differenzbetrag Einkommensteuer zahlen. Daraus ergaben sich oft finanzielle Probleme, was eine Beteiligung allgemein unattraktiv machte. Mit dem Fondsstandortgesetz wird nun eine Stundung dieser Einkommensteuerbelastung eingeführt, um die Beteiligung an jungen und innovativen Unternehmen attraktiver zu machen und diese somit zu stärken. Konkret bedeutet das:  Die anfallende Steuer wird zum Zeitpunkt der Übertragung zunächst nicht erhoben, sondern muss erst entweder zwölf Jahre nach Übertragung, wenn Mitarbeiter die Beteiligung veräußern oder bei Wechsel des Arbeitgebers gezahlt werden. Bei der Nachbesteuerungszahlung kann dann außerdem für die Versteuerung des geldwerten Vorteils die Fünftelungsregelung beansprucht werden, falls seit der Übertragung mindestens drei Jahre vergangen sind. Und: Hat sich der Wert der Beteiligung seit der Übertragung vermindert, muss nur der geringere Wert nachversteuert werden.

Mitarbeiter müssen zudem nicht unbedingt als Aktionäre oder Gesellschafter beteiligt werden, denn eine Beteiligung kann beispielsweise auch über eine Personengesellschaft, wie eine GbR oder KG, stattfinden.

 „Ownership fördern“: Erster Schritt in die richtige Richtung

Der Aon-Experte begrüßt die neue Regelung, betont aber auch, dass diese nur eine Blume in einem großen Strauß an Maßnahmen darstellt. „Durch die Verschiebung der bisher bereits bei Übertragung der Beteiligung anfallenden Steuerzahlung und den Abzug von eventuellen Wertverlusten bei der Nachversteuerung dürfte vielen jungen Menschen eine Beteiligung leichter fallen, was die Start-up Landschaft pushen könnte. Allerdings bleibt abzuwarten, ob diese eine Maßnahme große Veränderungen für die Start-up Szene bewirken kann“, sagt Ian Karcher. „Erleichterungen wie diese werden aber sicherlich kurzfristig und noch mehr mittelfristig Auswirkung auf die Vergütung und die Equity Verteilung haben. Langfristig wird es dadurch hoffentlich auch mehr Motivation zum IPO, also dem Börsengang, auf dem deutschen Markt geben. Wenn der Willen, in Deutschland IPO zu gehen, in der Bevölkerung etabliert ist, haben wir unser Ziel erreicht.“

Gut zu wissen: Laut Deutschen Start-up Monitor 2020 gab es 1.946 Start-ups mit 25.966 Mitarbeitern in Deutschland. Rund 78,4 Prozent von ihnen haben sich zum Teil aus eigenen Ersparnissen finanzieren müssen, wobei staatliche Fördermittel, der eigene Bekanntenkreis und Business Angel Capital ebenfalls wichtige Finanzierungsquellen darstellten. Dabei fanden mit 31,8 Prozent die meisten Neugründungen im äußerst wichtigen Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie statt.

Sie möchten mehr über das Thema Mitarbeiterbeteiligung erfahren? Die im April erschienene WDR Reportage: „Geld oder Leben – Auf der Suche nach dem fairen Gehalt“ betrachtet drei unterschiedliche Unternehmen, die sich alle dafür entschieden haben, neue Wege zu gehen – unter anderem durch Mitarbeiterbeteiligungen und die Änderungen der Geschäftsform. Zusätzlich werden verschiedene Gehaltsmodelle vorgestellt und durchleuchtet.

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