Staatlich unterstützter Pandemiepool

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Covid-19 bringt nie dagewesene Herausforderungen. Es lässt sich jetzt bereits postulieren, dass die Folgen von Covid-19 in ihrem gesundheitlichen Ausmaß nicht nur immer greifbarer werden, sondern mit einer wahrscheinlich noch bisher nicht gekannten, weltweiten Relevanz für Staat, Gesellschaft und Unternehmern einhergehen.

Ursache hierfür sind die teils drastischen Maßnahmen, die der Staat aber auch Unternehmen selber ergreifen müssen, um eine weitere exponentielle Ausbreitung des Virus, durch Reisebeschränkungen, Ausgangssperren oder Werksschließungen zu verhindern.

Die Covid-19-Pandemie hat auch Deutschland mit voller Wucht getroffen. Laut Virologen liegt der Höhepunkt der Virusausbreitung noch vor uns. Um der Entwicklung die Dynamik zu nehmen, ist das öffentliche und wirtschaftliche Leben weitestgehend heruntergefahren. Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einer Rezession, deren Ausmaß davon abhängt, wie lange dieser Shutdown anhalten wird. So würde ein Lockdown von 3 Monaten laut IFO Institut beispielsweise zu einem Minus des BIP im Deutschland führen, das weit über dem der Finanzkrise 2009 (-5,7%) läge. Damit würde der Verlust von Millionen Arbeitsplätzen durch Insolvenzen und Kostensparprogramme einhergehen.

Durch den Zusammenbruch von Lieferketten musste die deutsche Wirtschaft zunächst vor allem Rückwirkungsschäden aufgrund von Lieferantenausfällen oder Einschränkungen im internationalen Warenverkehr hinnehmen. Inzwischen kann die Fertigung im Inland in vielen Branchen immer weniger aufrechterhalten werden. Hunderttausende Arbeitnehmer befinden sich bereits in Kurzarbeit. Demgegenüber gelingt es Unternehmen in Dienstleistungsbranchen zusehends, ihre Arbeitsabläufe auf Home-Working umstellen – mit allen damit verbundenen Anforderungen.

Auch Versicherer stehen vor völlig neuen Herausforderungen. Eine vergleichbare Situation hat es noch nicht gegeben. Folglich fehlt es an Erfahrungen, um die krisenbedingten Risiken vollständig zu identifizieren und vor allem adäquat zu bewerten. Es gibt keine verifizierten Methoden und Risikomodelle, um Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, ob und in welchem Ausmaß Schäden eintreten werden.

Bevor wir in die Frage der Ersatzpflicht der Versicherungswirtschaft einsteigen, wollen wir zunächst beschreiben, welche Relevanz Covid-19 für die Versicherer hat und zwar nicht, um hier für Entlastung zu sorgen oder einen Entschuldigungsbrief zu verfassen, sondern um das Thema sachgerecht zu beleuchten und die Ausgangssituation und das mögliche Verhalten der Versicherer in dieser Situation näher zu begründen.

Für die Versicherer zählt eine Pandemie – also eine Seuche, die sich über mehrere Länder oder gar Kontinente ausbreitet – zu den sogenannten Kumulrisiken. Das Kumulrisiko beschreibt die Gefahr für den Versicherer, dass durch den Eintritt ein und desselben Ereignisses gleichzeitig mehrere versicherte Einheiten Schäden erleiden.

Covid-19 ist ein solches Kumulrisiko in höchster Ausprägung. Es handelt sich um ein weltweites Phänomen, da alle Ländereinheiten der Versicherer betroffen sein werden. Die notwendige Risikostreuung wird also gänzlich ausgesetzt. Der Versicherer fürchtet also das eines der Grundprinzipien von Versicherung, nämlich der Risikoausgleich im Kollektiv und in der Zeit, nicht mehr zum Tragen kommt.

Durch Covid-19 werden weltweit gleichzeitig Schäden geltend gemacht und das zudem in unterschiedlichen Sparten und Versicherungszweigen, wie beispielsweise in der Lebens- und privaten Krankenversicherung, der Kreditversicherung, der Betriebsschließungsversicherung, der Veranstaltungsausfall- oder der D&O (Managerhaftpflicht)-Versicherung, um nur einige zu nennen. Trotzdem wird die Versicherungswirtschaft mit einem blauen Auge davonkommen, denn in fast allen Produkten steckt ein Ausschluss für ein solches Szenario. Einige Interessenverbände laufen daher gerade Sturm gegen die Versicherungsgesellschaften, insbesondere gegen diese, die im gewerblichen Bereich sogenannte Betriebsschließungsversicherungen verkauft haben. Erste Kompromisse sind z.B. in Bayern zwischen dem Hotel- und Gaststättenverband, der Politik und einigen Versicherungsgesellschaften getroffen worden, um die zumindest teilweise Leistungen aus den Versicherungsverträgen an die Kunden auszuzahlen.

Folglich gibt es erste Stimmen von Versicherervorständen, die nach Unterstützung des Staates in Form eines Pandemiepools rufen. Dies ist absolut nachzuvollziehen und auch keine Innovation, sondern in Form des staatlich finanzierten Versicherers Extremus bereits vor fast 20 Jahren schon einmal umgesetzt worden. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 veranlassten die Versicherungswirtschaft im Zusammenspiel mit der Bundesregierung dazu, Schadensfällen aus realisiertem Terrorrisiko zukünftig besser zu begegnen. Dadurch sind Terrorrisiken durch den Spezialversicherer bis zu einer Jahreshöchstentschädigungsgrenze in Höhe von 10 Mrd. Euro gedeckt, wobei Extremus die Haftung bis zur Grenze von 2 Mrd. Euro selber trägt und bis zu 8 Mrd. Euro über eine Staatsgarantie vom Bund zur Verfügung steht.

Doch in dieser Krise gibt es eine ganz andere Herausforderung. Wie kann, insbesondere den Kleinst- und Kleinunternehmen in Deutschland, die Covid-19 getroffen hat und deren Geschäftsgrundlage ganz oder teilweise verloren gegangen ist, geholfen werden? Staatliche Hilfen in Form von Kurzarbeitergeld oder KfW-Krediten stehen zur Verfügung, doch um die weiterlaufenden Fixkosten wie Mieten, Energiekosten oder anderen finanzielle Verbindlichkeiten abzusichern, könnte ein Pandemiepool mit Staatsgarantie (analog Extremus) eine Lösung sein. Die Versicherungsgesellschaften würden hier, analog der Hausbanken bei der KfW-Kreditvergabe, die Auszahlung und Schadenregulierung übernehmen können.

Versichern könnten sich Unternehmen exponierter Branchen gegen die Fixkosten, die während eines pandemiebedingten Betriebsstillstandes weiterlaufen würden. Lohn- und Gehaltskosten würden, wie derzeit und bereits in der Finanzkrise 2009 von der Politik im Eilverfahren beschlossen, in Form von Kurzarbeitergeld über die Bundesagentur für Arbeit übernommen werden.

Eine solche Lösung hat auch einen ordnungspolitischen Vorteil: Hilfe würde nicht per Kredit gewährt-ohnehin ist es problematisch laufende Kosten über Kredite zu finanzieren- sondern als Versicherungsleistung. Das befreit die Unternehmen von Rückzahlungs- und Zinszahlungsverpflichtungen in den Zeiten nach einer Krise. Gerade in den Zeiten werden Investitionen notwendig, die bei anderweitigen Kreditverpflichtungen kaum finanzierbar werden. Und: die Unternehmen geraten in keine Abhängigkeit vom Staat.

So gibt es z.B. in Österreich ein Programm, dass die Fixkosten per Zuschuss absichern soll, eine Lösung via Versicherung wäre aber zukünftig gerechter. Warum? Weil die Unternehmen vorher per Versicherungsprämie auch ihren eigenen Beitrag leisten würden, dafür aber nicht von der Beliebigkeit politischer Entscheidungen abhängig wären. Zu überlegen wäre sogar, ob zum Schutz gesamtgesellschaftlicher Interessen die Versicherung nicht in Form einer Pflichtversicherung vorgeschrieben wird. Die Details wären zu diskutieren. Ziel sollte es sein, einen Weg zu finden, der über eine Versicherungslösung mit staatlicher Mitfinanzierung die Wirtschaft als Ganzes und die Unternehmen im Einzelnen bei Mitwirkung aller Beteiligten besser geschützt werden kann.

Die Versicherungen, Vertreter der Wirtschaft und die Politik sollten hier rasch ins Gespräch kommen.

von Kai Büchter, CEO Aon Deutschland und Ole von Beust, Mitglied des Beirats Aon Deutschland

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Ansprechpartner

Kai Büchter
CEO Aon DACH-Region

Ole von Beust
Mitglied des Beirats Aon Deutschland

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