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M&A-Versicherung

M&A-Markt auf Rekordniveau

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M&A-Versicherung

M&A-Markt auf Rekordniveau

Das Jahr 2021 war hinsichtlich Transaktionsanzahl und -volumen ein absolutes Rekordjahr. Alle Marktteilnehmer verzeichneten eine Maximalauslastung der Kapazitäten, sodass zum Ende des Jahres hin einige Versicherer sogar keine neuen Transaktionen mehr annahmen. Dementsprechend war auch die Zahl versicherter Transaktionen auf Rekordniveau. Die Nachfrage nach Spezialversicherungen – mit Ausnahme von Steuerversicherungen – fiel dabei etwas ab. Das erste Halbjahr 2022 verlief bisher solide, aufgrund der Ukraine-Krise jedoch auch nicht außergewöhnlich gut.

Marktsituation

Trotz der allgemeinen Unsicherheit und Rückgang der Transaktionsanzahl sind die Aussichten für den (Versicherungs-)M&A-Markt ungetrübt positiv. Die Zahl der versicherten Transaktionen ist weiterhin im Vergleich zu der Gesamtanzahl an Transaktionen stark steigend, insofern hat sich der Eindruck, dass die Warranty&Indemnity (W&I)-Versicherung eine mehr und mehr standardisierte Lösung ist, verfestigt. Neben der W&I-Versicherung haben sich insbesondere auch Steuerversicherungen als Nebenlösungen etabliert und werden regelmäßig in Transaktionen nachgefragt und relevant.

Trotz der nun gestiegenen Leitzinsen besteht weiterhin ein hohes Kapitalvolumen im M&A-Markt mit einhergehendem hohen Investitionsdruck bei institutionellen Investoren, aber auch bei strategisch ausgerichteten Unternehmen (Corporates). Dies führt zwangsläufig zu einer starken Konkurrenzsituation bei Auktionen mit der Folge eines ungebrochen starken Verkäufermarkts mit entsprechender Haftungsbeschränkung, auch wenn wir einen leichten Rückgang bei den gezahlten Kaufpreisen in Bezug auf Multiplikatoren zu Umsatz/EBIT verzeichnen. Die sog. „1€-Haftung“ des Verkäufers ist als Marktstandard weitestgehend anerkannt.

Gleichzeitig ist die Bereitschaft der Verkäufer gestiegen, einen ausbalancierten und käuferfreundlichen Garantiekatalog von vornherein zur Verfügung zu stellen. W&I-Versicherungen stellen insofern das Haftungskapital für die Verletzung von Gewährleistungen aus einem Unternehmenskaufvertrag zur Verfügung. Der Käufer wiederum erhält die Möglichkeit, den sonst erforderlichen Risikoabschlag für Garantieverletzungen auf den Kaufpreis aufzuschlagen. Dies eröffnet ihm eine bessere Positionierung im Bieterwettbewerb.

12 billion euros
is the value of the sum insured placed by Aon worldwide.

Spezielle Steuerversicherungen werden weiterhin stark nachgefragt und sind als Produkt etabliert. Die Vorteile – breitere und schnellere Verfügbarkeit von Rechtssicherheit im Vergleich zu einer unverbindlichen Auskunft des Finanzamts sowie Verhinderung von Rückstellungen und Kaufpreiseinbehalten – sind mittlerweile allseitig bekannt und geschätzt. Dies gilt in zunehmendem Maße auch für Absicherung von Rechtsstreitigkeiten (Litigation Buy-out). So sichern Litigation-Buy-out-Versicherungen (i) den Kläger hinsichtlich des Bestands eines stattgebenden (Zahlungs-)Urteils (Judgement Preservation Insurance), (ii) den Beklagten gegen das Risiko eines potenziell katastrophalen negativen Urteils (Adverse Judgement Insurance) und (iii) gegen das Risiko, auf Prozesskosten sitzen zu bleiben (After the Event Insurance), ab.

Digital M&A ist und bleibt ein Innovationstreiber: Aufgrund der zunehmenden Anzahl von Technology/Software-bezogenen Unternehmenstransaktionen und des damit einhergehenden Bedarfs von spezifischen Garantien im Kaufvertrag kommt der (technischen) Beratung zur Cyber & Data Protection Due Diligence besondere Bedeutung zu. Nur eine entsprechende technische Cyber-DD ermöglicht es dem Versicherer hier, die Haftung zu übernehmen. Aon hat zu diesem Zweck ein dreistufiges Modell entwickelt, um technische Cyberrisiken, finanzielle Risiken und den Compliance-Status (z. B. DSGVO) frühzeitig im Transaktionszyklus zu identifizieren. Mithilfe spezieller Tools zur Erkennung von Cyberrisiken, finanzieller Quantifizierungsmodelle und Cyber-M&A-Experten lassen sich Risiken bei Transaktionen klarer umreißen und in der Folge transferieren.

Im Jahr 2021 hat Aon europaweit über 260 M&A-Versicherungen mit einer Gesamtversicherungssumme von über 12 Mrd. Euro platziert. Hierbei verzeichnete die D-A-CH-Region ein starkes Wachstum auf über 70 abgeschlossene Transaktionen.

Übersichten der versicherten M&A-Transaktionen (D-A-CH)

nach Produkt

Quelle: Aon

nach Branche

Ausblick

Die Corona-Pandemie scheint den M&A-Markt nicht mehr zu beeinträchtigen. Die Marktteilnehmer haben sich auf die eingeschränkte Verfügbarkeit von persönlichen Treffen und Remote Working eingestellt. Gesteigerte Schadenmeldungen und Garantiebrüche aufgrund von Covid-19 waren nicht zu verzeichnen. Es scheint, als wäre die Unsicherheit in Bezug auf Covid-Auswirkungen durch die Unsicherheit rund um die Situation in der Ukraine abgelöst worden.

Distressed M&A ist im derzeitigen Marktumfeld weiterhin kein Thema. Komplett synthetische Garantiekonzepte (Garantiekataloge nur als Anlage zur Police) werden weiterhin regelmäßig diskutiert, jedoch nur sehr vereinzelt eingekauft (insbesondere bei Real-Estate-Transaktionen). Gleichermaßen verhält es sich mit W&I-Versicherungen bei De-SPAC-Transaktionen. Hier gibt es ein grundsätzliches Interesse, jedoch nur wenig Präzedenzfälle. Eine bis dato einzigartige Lösung wurde diesbezüglich von Aon entwickelt.

Das Prämienniveau ist aufgrund von Kapazitätsengpässen und Schäden im Jahr 2021 leicht gestiegen. Weiterhin führt die starke Nachfrage nach (synthetischer) Erweiterung einer Haftung der Versicherer (z. B. Knowledge Scrapes und längere Laufzeiten der Policen) durchschnittlich zu etwas höheren Gesamtprämien.

Dr. Matthias Luettges

Markttrends

Bei den Standardausschlüssen und Deckungspositionen der Versicherer war im vergangenen Jahr wenig Bewegung zu verzeichnen. Angesichts des Fokus der Marktteilnehmer auf die schnelle Umsetzung einer Transaktion blieb nur ein eingeschränkter Spielraum zur Verhandlung von exotischen und innovativen Deckungen. Dennoch verfügen die Versicherer über einen großen Erfahrungsschatz, sodass in der Regel auch Themen wie die Deckung für Pension Underfunding, GDPR, Transfer Pricing und Secondary Tax diskutiert werden konnten. Allerdings konnte diesbezüglich auch keine grundsätzliche Änderung der Position der Versicherer erzielt werden. Die massiven Schäden mit dem Resultat der Marktverhärtung bei Cyberversicherungen auf operativer Ebene der Zielgesellschaften blieben auch im Bereich der W&I-Versicherungen nicht ohne Folgen. So hat es sich auch hier immer mehr etabliert, dass Versicherer einen Standardausschluss für Cyberrisiken aufnehmen. Ein solcher Ausschluss kann bei einem Teil der Versicherer jedoch zumindest insofern diskutiert werden, als die W&I-Versicherung on top der operativen Deckung zum Tragen kommen kann. In einigen Fällen kann eine spezifische technische Cyber-DD dem Versicherer hier dann zusätzlichen Komfort geben, Garantien mit Cybersecurity-Bezug zu decken und auf den Standardausschluss zu verzichten.

Weiterhin werden W&I-Prozesse zunehmend auf Verkäuferseite vorstrukturiert, Policen vorverhandelt und als Paket mit dem Unternehmenskaufvertrag auf die Käuferseite übergeleitet (sog. Hard Stapling). Die Vorteile, Abschlusssicherheit und eine schnelle schlanke Umsetzung, werden dabei auch von der Käuferseite in der Regel gesehen und anerkannt.