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Haftpflicht­versicherung

Keine Entspannung für Konzerne und komplexe Risiken

Der Markt für Haftpflichtversicherungen ist weiter verhärtet. Die steigenden Prämienforderungen der Versicherer sind moderater als im Vorjahr. Die allgemeine Inflation und steigende Schadenkosten werden nicht nur von den Versicherern als Gründe für steigende Prämienforderungen genannt, sondern führen auch zu höheren Worst-Case-Szenarien für die Unternehmen. Diese müssen sich die Frage stellen, ob die Höhe der Versicherungssumme ihrer eingekauften Haftpflichtversicherung die für sie relevanten (Katastrophen-)Haftungsszenarien noch angemessen absichert. Eine hohe Dialogbereitschaft ist daher wichtiger denn je.

Marktsituation

Das Segment der allgemeinen Haftpflichtversicherungen ist nach den aktuellen Zahlen des Branchenverbands GDV für die Versicherungswirtschaft nach wie vor attraktiv. Privatpersonen und Unternehmen in Deutschland gaben im vergangenen Jahr 8,3 Mrd. Euro für Haftpflichtversicherungen aus. Der Verband rechnet mit einer Zunahme der Beitragseinnahmen um 3,5 Prozent und prognostiziert eine Schadenkostenquote der Versicherer von 84 Prozent.

Speziell im Industriegeschäft sehen die Entwicklungen jedoch anders aus. Der Markt für Haftpflichtversicherungen ist weiter verhärtet, zeigt sich für die Unternehmen aber in unterschiedlichen Ausprägungen. Bei Industrieunternehmen im Bereich Middle Market oder Upper Middle Market wollen viele Versicherer wachsen und der Trend des verhärteten Marktes zeigt sich schwächer.

Allgemein sind die Prämienerhöhungen zwar moderater als im Vorjahr. Unternehmen in risikoexponierten Branchen und mit komplexen Risiken (z. B. Kfz-Zulieferer, Chemie- und Pharma-Industrie, Medizinproduktehersteller und Unternehmen mit umfangreichem US-Risiko) sehen sich aber immer noch stärker mit Forderungen hinsichtlich Prämienerhöhungen und höheren Eigentragungen konfrontiert. Bei diesen machen sich die reduzierten Kapazitäten einiger Versicherer bemerkbar.

Soweit Versicherer steigende Prämien mit der allgemeinen Inflation begründen wollen, sollten Kunden und Makler im Zusammenspiel hierzu konkrete, auf das Einzelrisiko bezogene Gründe auf Basis eines individuellen Underwritings einfordern. Doch die allgemeine Inflation und steigende Schadenkosten werden nicht nur von Versicherern als Gründe für steigende Prämienforderungen genannt, sie führen häufig auch zu höheren Worst-Case-Szenarien für die Unternehmen.

Auch in diesem Jahr liegt ein besonderes Augenmerk auf US-Risiken und den Entwicklungen in den USA. Diverse Großschäden und Auto-Haftpflichtschäden in den USA haben zu einem vorsichtigeren Zeichnungsverhalten der Versicherer bei Unternehmen mit umfangreichem US-Risiko geführt. Als Ursachen werden unter anderem die von der allgemeinen Inflation abgekoppelte Social Inflation und das Litigation Funding genannt.

Social Inflation beschreibt dabei den Anstieg von Versicherungsleistungen (in den USA) durch verschiedene von der allgemeinen Inflation unabhängige gesellschaftliche Faktoren. Dazu gehören eine zunehmende Anspruchsmentalität, eine verstärkte Nutzung von Social Media oder gesellschaftliche Entwicklungen, die Jury-Mitglieder beeinflussen und zu hohen Schadensersatzurteilen (sog. Nuclear Verdicts) durch Geschworenengerichte führen können.

Angesichts steigender Schadenkosten und möglicher Katastrophenschäden müssen sich die Unternehmen auch die Frage stellen, ob die Höhe ihrer Versicherungssumme der Haftpflichtversicherung noch angemessen ist.

Ausblick

Nachhaltiges Handeln und ein frühzeitiger Risikodialog versetzen Unternehmen in bessere Verhandlungspositionen

Versicherer setzen inzwischen verstärkt auf ein technisches Underwriting und überprüfen Unternehmen künftig noch genauer. Zusätzlich nehmen ESG-Kriterien immer mehr Einfluss auf das Zeichnungsverhalten der Versicherer. Dabei liegt das Augenmerk insbesondere auf „grünen“ Strategien und allen weiteren Aspekten der Nachhaltigkeit. Unternehmen, die sich hier gut aufstellen, bringen sich in eine bessere Verhandlungsposition.

Gut aufbereitete Risikoinformationen und ein rechtzeitiger Risikodialog im Renewalprozess sind dabei insbesondere bei komplexen Risiken sehr wichtig.

Auch in der Haftpflichtversicherung sind die Folgen der Ukraine-Krise ersichtlich. So prüfen Versicherer ihre Position zu Risiken in Belarus, der Ukraine und Russland und konfrontieren die Unternehmen zunehmend mit Einschränkungen des Versicherungsschutzes für solche Risiken.

Im Zusammenhang mit der Bedeutung von Cyberrisiken haben die Märkte außerdem zunehmend Regelungsbedarf mit Blick auf die konkrete Abgrenzung zwischen der Haftpflicht- und der Cyberversicherung („silent cyber“, „affirmative cyber“). In Zusammenarbeit zwischen Kunden und Makler gilt es deshalb, für den Kunden ein stimmiges Gesamtkonzept zu verhandeln und einen lückenlosen Versicherungsschutz unter Einbezug mehrerer Sparten sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere den Bereich der Vermögensschäden. In der Praxis können Einschränkungen jedoch nicht immer vermieden werden. Vor allem Cyberversicherungen kompensieren diese Einschränkungen – bis dato – nicht ausreichend. Eine Lösung über Tech E&O-Versicherungen ist gegenwärtig aufgrund des vorbeschriebenen, vorsichtigen Zeichnungsverhaltens (immer noch) schwierig.

Key figures in 2022

Liability Insurance
8.6
billion euros
premiums
+3.5% compared
with 2021
63 %
loss ratio
5.4
billion euros
claims
+2.0% compared
with 2021
84 %
combined ratio

Source: GDV, extrapolation among GDV member companies

Markttrends

Moderate Marktverhärtung setzt sich fort

Der aktuelle Trend zur moderaten Marktverhärtung wird als Folge der allgemeinen Inflation und steigender Schadenkosten die Prämien und Konditionen für Industriehaftpflichtversicherungen insbesondere bei komplexen Risiken weiter ansteigen lassen. Die Ergebnisse der Versicherer sind aufgrund der über einen längeren Zeitraum niedrigeren Prämien und zunehmenden Schäden teilweise noch belastet.

Bei einigen Unternehmen – insbesondere im Bereich Chemie – wird aufgrund verschiedener Gerichtsverfahren weltweit ein (teilweiser) Ausschluss von Risiken im Zusammenhang mit PFAS (Perfluoralkoxy-Polymere) diskutiert. PFAS, eine Gruppe von rund 4.700 synthetischen Chemikalien, kommen in vielen Industrien und Anwendungen zum Einsatz. So zum Beispiel für diverse Haushaltsprodukte oder Löschschaum.

Aber auch andere Branchen müssen sich auf Änderungen einstellen: Zum 1. August 2022 tritt das „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe” in Kraft. Die Gesetzesreform ändert in erster Linie die berufsrechtlichen Regelungen für Gesellschaften, die Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater zur Ausübung ihres Berufes bilden dürfen. Die Reform kann aber auch Auswirkungen auf den Versicherungsschutz haben. Denn abhängig von der Gesellschaftsform werden erheblich höhere Versicherungssummen für die Berufshaftpflichtversicherung benötigt.

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