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Betriebliche Altersversorgung (bAv)

Gestiegene Inflation und bAV: Bedeutung für die Bilanzierung

Die Inflation in Deutschland war im Mai 2022 mit 7,9 Prozent1 im Vergleich zum Vorjahr so hoch wie seit Langem nicht. Bereits zum Jahresende 2021 lag die Inflation bei 5,3 Prozent und auch in den kommenden Jahren ist eine höhere Teuerung zu erwarten. Welche Auswirkungen hat dies auf die Pensionsrückstellung?

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die aktuell erhöhte Inflation im Laufe des Jahres abschwächt. Durch den Ukraine-Krieg sind insbesondere die Preise für Energie stark angestiegen und liegen um mehr als ein Drittel über den Preisen des Vorjahresmonats. Aber auch die Preise für Nahrungsmittel stiegen mit mehr als zehn Prozent merklich an. Eine ähnlich hohe Inflationsrate wie im Mai 2022 gab es zuletzt im Winter 1973/1974 infolge der ersten Ölkrise. Abhängig von der weiteren Entwicklung des Ukraine-Konflikts und der Schwere der wirtschaftlichen Folgen für die Eurozone muss auch für die absehbare Zukunft von einer erhöhten Inflation ausgegangen werden.

Die gestiegene Inflation zeigte bereits zum 31. Dezember 2021 in den Bilanzen nach HGB, US-GAAP und IFRS eine sichtbare Auswirkung auf die Pensionsrückstellungen. Dies begründet sich durch die unmittelbare Wirkung auf die Wahl der langfristigen Trendannahme zur Dynamisierung inflationsindexierter Renten.

Eine Auswertung der Annahme bei ca. 60 großen deutschen Unternehmen (DAX40-Unternehmen und weitere Unternehmen, größtenteils aus dem MDAX) zeigte zum 31. Dezember 2021 einen Anstieg der angesetzten Rententrends. Der Mittelwert stieg im Vergleich zum Vorjahr um 26 Basispunkte auf 1,82 Prozent und auch am unteren wie am oberen Ende zeigte sich ein Anstieg in ähnlicher Größenordnung.

Für Jahresabschlüsse im Jahr 2022 ist von einer erneuten Erhöhung der angesetzten Rententrends auszugehen, um die weiter gestiegene Inflationserwartung in den Trendannahmen abzubilden. Ein Rententrend im Mittel von zwei Prozent oder höher scheint aus heutiger Sicht realistisch.

Eine Erhöhung des Rententrends bewirkt grundsätzlich den Anstieg der Pensionsverpflichtungen für die betroffenen Bestände. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die betroffenen Bestände zunehmend verringern, da für Neuzusagen ab 1999 in aller Regel eine befreiende Anpassungsgarantie von einem Prozent pro Jahr (gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG) maßgeblich sein dürfte und zunehmend auch für bestehende Rentenzusagen Kapitaloptionen eingeführt und bewertungstechnisch berücksichtigt werden. Aktuelle Versorgungssysteme sehen häufig nur noch Einmal- oder Ratenzahlungen vor. Gleichwohl gibt es in etlichen Unternehmen immer noch größere Altbestände mit einer Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG. Für diese Verpflichtungen bedeutet ein Anstieg des Rententrends um beispielsweise 25 Basispunkte einen Anstieg der Rückstellung nach IFRS um bis zu vier Prozent.

Der Effekt aus einer Änderung des Rententrends wird in der internationalen Bilanzierung nach IFRS/IAS 19 erfolgsneutral gegen das Eigenkapital gebucht. Anders sieht es in der deutschen Handelsbilanz aus, in der dieser Effekt im Personalaufwand gezeigt wird. Da beiden Bilanzierungswelten gemein ist, dass eine Erhöhung des Rententrends eine Erhöhung des Verpflichtungsumfangs bedeutet, steigt somit neben dem Dienstzeitaufwand auch der Zinsaufwand im Folgejahr.

Rentenanpassungen nach § 16 Abs. 1 BetrAVG können grundsätzlich auch entsprechend der Netto­lohn­entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen erfolgen, was momentan zu einer niedrigeren Anpassung als ein Abstellen auf die Inflation führen kann (hierbei ist die Entwicklung der Nettolöhne bzw. des Verbraucherpreisindexes jeweils für den gesamten Rentenbezugszeitraum ab Rentenbeginn zu ermitteln und gegenüberzustellen).
Dies könnte sich ggf. auch positiv auf den anzusetzenden Rententrend auswirken, je nach Einschätzung der künftigen Nettolohnentwicklung im Vergleich zur Inflationserwartung.

Swapkurve basierend auf Inflationsswaps der Eurozone

Bis Oktober 2019: Herleitung auf Basis von inflationsindexierten Anleihen

Quelle: Aon

Prinzipiell ist durch eine gestiegene Inflationserwartung auch ein Anstieg des Gehaltstrends zu erwarten. Zum 31. Dezember 2021 war in dieser Trendannahme noch keine besondere Entwicklung erkennbar. Eine Überprüfung des Gehaltstrends für die Jahresabschlüsse 2022 scheint jedoch geboten.

Die weitere Entwicklung der Inflationserwartung in den kommenden Monaten und Jahren hängt entscheidend vom Fortgang des Ukraine-Kriegs und dessen Nachwirkungen ab und lässt sich derzeit nicht vorhersehen. Experten gehen aber nicht zuletzt wegen der Risiken im Energiesektor von einer weiterhin hohen Inflationsentwicklung in den nächsten Jahren aus. Insbesondere bestätigen die letzten Untersuchungen der EZB im Rahmen des Survey of Professional Forecasters, dass kurz- und mittelfristig im Euroraum eine Inflationsrate oberhalb des langfristigen Ziels von zwei Prozent p.a. zu erwarten ist. Dies zeigt sich gleichsam an der Markterwartung, die Aon auf Basis von Inflationsswaps der Eurozone ermittelt. Insofern ist vorerst nicht von einem signifikanten Absinken des Inflationsniveaus und damit des anzusetzenden Rententrends für künftige Abschlüsse auszugehen.

1) vorläufiger Wert