Von einem verhärteten D&O-Markt werden auch die nächsten Monate geprägt sein: sinkende Versicherungssummen, steigende Prämien und die wachsende Schwierigkeit, Deckungsschutz zu erhalten. D&O-Versicherer zeichnen sich in dieser Lage insbesondere durch Ausschlüsse aus: Einige schließen komplette Länder vom D&O-Geschäft aus, andere nehmen Branchen aus, wieder andere beschränken bestimmte Risiken, im Extremfall stellen Versicherer ihr Geschäft für die D&O-Sparte ein. Letzteres tun die Gesellschaften offiziell – oder die Versicherer schaffen Fakten, indem sie die Kommunikation mit Kunden und Maklern auf annähernd „null“ reduzieren.

Aus Sicht eines Unternehmensleiters ist die Lage aktuell und in der kommenden Zeit kompliziert: Verschiedene Prognoseentscheidungen sind im Rahmen der jüngst aktualisierten Restrukturierungs- und Insolvenzbestimmungen zu beachten und können je nach Ausgang zu unterschiedlichen Handlungspflichten führen. Zugleich sind einige Änderungen rechtlich umstritten, etwa welche Auswirkungen sich künftig daraus ergeben, dass das Sanierungssystem der Zukunft mehr auf Gläubiger- als auf Gesellschaftsinteressen zugeschnitten ist. Dies alles kann die von der D&O-Versicherung umfasste Haftung der Geschäftsführung beeinflussen. Welche Auswirkungen die Änderungen auf den ohnehin restriktiven D&O Versicherungsmarkt haben werden, bleibt aufmerksam zu beobachten. Nach einer Veröffentlichung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft vom 29. September 2020 ist von erhöhten Insolvenzzahlen in näherer Zukunft auszugehen.

In diesem Kontext stellt der Bundesgerichtshof in seinem jüngsten Urteil mit dankenswerter Klarheit fest, dass Ansprüche aus § 64 GmbHG (Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) in der D&O-Versicherung versichert sind (Urteil vom 18. November 2020 – IV ZR 217/19). Dies beendet einen praxisrelevanten Streit zugunsten der versicherten Unternehmensleiter. Maßgeblich sei nach dem Bundesgerichtshof die Sicht des „durchschnittlichen“ Versicherungsnehmers, bzw. Versicherten, welcher den Begriff „Schadenersatz“ in der D&O weit auslege. Umfasst sei hiernach jeder Ausgleich eines Schadens im Wege der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes vor Schadeneintritt. Es sei insbesondere unerheblich, wem der Vorteil zufließe. Auch ein Schaden außenstehender Gläubiger in der Insolvenz sei damit versichert.

Das juristische Aufarbeiten der durch die Corona-Pandemie bedingten Insolvenzen wird vor allem die Rechtskosten weiter erhöhen. Schließlich müssen Insolvenzverwalter vieles hinterfragen und nach Pflichtverletzungen suchen. Wie die Versicherer mit o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Zukunft umgehen werden, bleibt abzuwarten. Die Erfahrungen des jüngst erheblich verhärteten D&O-Marktes legen jedenfalls nahe, dass die Versicherer den Deckungsumfang für die von Krisen ohnehin gebeutelten Unternehmen in Bezug auf die erwähnten Risiken beschneiden werden. Leidtragende wären dann die Unternehmensleiter involvierter Unternehmen. Insgesamt dürfte diese Ausgangslage einer Entspannung des D&O-Marktes nicht zuträglich sein.

Die plötzlichen und unvorhersehbaren Folgen der Corona-Pandemie haben auch Unternehmen und Geschäftsmodelle in Bedrängnis gebracht, die vor Corona-Zeiten stabil wirtschafteten. Bislang galt im deutschen Insolvenzrecht das unverrückbare Prinzip, dass zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen zeitnah einen Insolvenzantrag stellen müssen. Unternehmen, die nicht überlebensfähig sind, sollen hiernach schnell und kontrolliert vom Markt genommen werden, um Gläubiger vor weiterem Schaden zu schützen. Um die Folgen eines Insolvenzantrags solchen Unternehmen zu ersparen, die durch die Corona-Pandemie in die Krise geraten sind, hat der Gesetzgeber im März 2020 wie gezeigt die Insolvenzantragspflicht bis zum 31. September 2020 ausgesetzt. Auch wenn der Gesetzgeber in den letzten Jahren, z. B. durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), die Restrukturierung und Rettung von kriselnden Unternehmen stärker in den Blick genommen hat, stellt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht einen Ausnahmefall im Insolvenzrecht dar.

Die Maßnahme zum Schutz der deutschen Wirtschaft birgt aber auch Risiken. Kurzfristig mag das Forderungsausfallrisiko durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beseitigt sein. Es ist jedoch keinesfalls sicher, dass sich insolvente Unternehmen in der aktuellen Situation tatsächlich aus der Krise befreien können. Die Befürchtung lautet daher, dass die derzeit ausgesetzte Insolvenzwelle im nächsten Jahr voll zuschlägt. Es wird kritisiert, die Insolvenzen seien durch die zeitliche befristete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht lediglich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die Probleme in den Liefer- und Absatzketten bestehen in vielen Fällen fort. Dazu kommt eine zunehmende Zurückhaltung von Banken und Kreditversicherungen, Kreditrisiken zu übernehmen und die Absatzfinanzierung zu gewährleisten. Sobald der staatliche Schutzschirm für die Kreditversicherung, der sich jüngst bis zum 30. Juni 2021 verlängert hat, ausläuft, wird die Absicherung von Lieferantenkrediten erwartungsgemäß noch deutlich schwieriger und teurer werden. Lieferanten und Abnehmer können sich also keinesfalls darauf verlassen, dass ihre Vertragspartner auch zukünftig verlässlich bleiben.

Weitere Unsicherheiten für Unternehmen ergeben sich zudem aus dem zum 1. Januar 2021 in Aussicht genommenen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG). Um kriselnden Unternehmen die Sanierung zu ermöglichen, soll in Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie das deutsche Recht um vorinsolvenzliche Sanierungsinstrumentarien ergänzt werden. Im Rahmen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens stehen Unternehmen in der Krise auch ohne Insolvenzantrag unter anderem verschiedene Instrumentarien zur Verfügung, die Gläubiger belasten können. So kann z. B. die gerichtliche Beendigung von gegenseitigen, noch nicht beiderseitig vollständig erfüllte Verträgenangeordnet werden, wenn der Vertragspartner zu einer für die Verwirklichung des Restrukturierungsvorhabens erforderlichen Anpassung des Vertrags nicht bereit ist. Zudem können Vollstreckungs- und Verwertungssperren für eine Dauer von bis zu drei Monaten gerichtlich angeordnet werden. Das Jahr 2021 birgt also teils neue erhebliche wirtschaftliche Risiken für Unternehmen im Umgang mit deren Lieferanten und Abnehmern, nicht zuletzt aus dem Paradigmenwechsel im Insolvenz- und Restrukturierungsrecht.