Geschäftsberichte aus 2022 offenbaren Trendwende: DAX-Unternehmen reduzieren ihre Pensionsverpflichtungen

Lesezeit: 4 Minuten

Die Mehrzahl der im DAX gelisteten Unternehmen hat bereits ihren Geschäftsbericht für 2022 veröffentlicht. Dabei zeigen sich signifikante Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren. so sinken die Pensionsverpflichtungen einer aktuellen Aon Studie zufolge dank der stark gestiegenen Rechnungszinsen von 418 Mrd. Euro auf ca. 309 Mrd. Euro . Der Rechnungszins, mit dem die Pensionsverpflichtungen abgezinst werden, ist dabei von durchschnittlich 1,18 Prozent auf 3,80 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Dieser Anstieg erlaubt den DAX-Unternehmen entsprechend geringere Rückstellungen für die zukünftigen Rentenzahlungen zu bilden. Gleichzeitig zeigen andere Parameter, dass die DAX-Unternehmen mit Blick auf die hohe Inflation durchaus vorsichtig kalkulieren und beispielsweise höhere zukünftige Gehalts- und Rentensteigerungen bei der Rückstellungsermittlung eingepreist haben. Der durchschnittliche Gehaltstrend stieg gegenüber dem Vorjahr von 2,56 Prozent auf 2,80 Prozent und der Rententrend von 1,76 Prozent auf 2,20 Prozent. Neben den Pensionsverpflichtungen ist zudem auch das Deckungsvermögen, welches die Unternehmen zur Finanzierung der Betriebsrenten gebildet und separiert haben, von 302 Mrd. Euro auf ca. 246 Mrd. Euro gesunken.

Der Ausfinanzierungsgrad der Pensionen stieg in den Jahresabschlüssen 2022 auf den historischen Höchstwert von ca. 80 Prozent.

Rückblick 2022

Die Kapitalmärkte starteten zunächst noch recht positiv in das Jahr 2022; die Corona-Beschränkungen wurden in vielen Industrieländern aufgehoben. Die erwarteten sich normalisierenden Lieferketten sorgten für eine optimistische Grundstimmung und die Annahme, dass die Inflation, deren Aufkommen sich bereits Ende 2021 in anziehenden Teuerungsraten abzeichnete, nur ein vorübergehendes Problem darstellen würde, war weit verbreitet. Es bestand somit der Anschein, dass eine nur sehr moderate Straffung der Geldpolitik ausreichen würde, um inflationäre Tendenzen unter Kontrolle zu halten. Mit Beginn des Konflikts in der Ukraine setzte jedoch ein rasanter Anstieg der Rohstoffpreise ein; erneut traten Lieferkettenprobleme auf, welche die Inflation enorm befeuerten: Die Notenbanken wurden gezwungen, die geldpolitische Wende einzuleiten und die Zinsen rapide zu erhöhen. Wachstumsprognosen sämtlicher Volkswirtschaften mussten in der Folge nach unten korrigiert werden, Rezessionsängste bestimmten fortan die Stimmung. Gegen Ende des Jahres gab es erste Signale, die auf eine Abschwächung der geldpolitischen Straffung hoffen ließen, da in den USA der Hochpunkt der Inflation überschritten schien.

Für Anleger war diese Gemengelage an den Kapitalmärkten sehr herausfordernd, da insbesondere im ersten Halbjahr Aktien- und Anleihemärkte gleichsam hohe Kursrückgänge verzeichneten. In der Vergangenheit beobachtete Diversifikationseffekte zwischen Aktien und Anleihen blieben weitgehend aus, sodass es für Anleger kaum eine Möglichkeit gab, den Kursverlusten zu entgehen.

Im Kalenderjahr 2022 verlor der globale Aktienmarkt ca. 12 Prozent (MSCI World Index (in Euro)), die globalen Anleihemärkte gaben sogar um ca. 13 Prozent nach (gemessen am Bloomberg Barclays Global Aggregate Index (in Euro, hedged). Gerade Anleger aus dem Pensionsbereich, deren Anlagepolitik in der Regel sehr an der Verbindlichkeitsstruktur ausgerichtet ist und die somit meist längere Laufzeiten in ihren Anleiheportfolien abbilden, verzeichneten noch größere Verluste. Zum Ende des Jahres mehrten sich zudem die Anzeichen, dass auch die Bewertungen bei illiquiden Investments, wie z. B. am Immobilienmarkt, unter Druck geraten.

Ausblick 2023: Was bringt das Jahr für Pensionsverpflichtungen

Der weiter anhaltende Zinsanstieg bietet Unternehmen im Jahr 2023 die Chance, die Lücke zwischen Pensionsverpflichtung und Deckungsvermögen weiter zu verringern. Die hohen Zinsen haben die zukünftigen Ertragserwartungen von Anleiheinvestments erheblich verbessert, was die Attraktivität im Vergleich zu Aktien und alternativen Investments deutlich gesteigert hat. Eine Überprüfung der strategischen Anlagepolitik und ggf. eine Anpassung der langfristigen Portfolio-Ausrichtung bietet damit erstmals seit Jahren wieder die Chance, gesetzte Renditeziele mit langfristig geringerem Schwankungspotenzial zu erreichen. Dabei gilt es zu beachten, dass sich die Risiken der unterschiedlichen Anlageklassen wandeln. Insbesondere die Schwankungen und Risiken aus Anleiheinvestments, deren Kurse aufgrund steigender Zinsen stark unter Druck geraten, sollten einer umfassenden Analyse unterzogen werden, um Grundlage für bessere Entscheidungen zu bieten.

Entwicklung der Pensionsrückstellungen, Deckungsvermögen und Rechnungszins der DAX-Konzerne

Die vollständige Studie über die Pensionspläne der DAX-Unternehmen wird voraussichtlich Mitte Mai 2023 verfügbar sein.

Beitrag teilen

Ansprechpartner

Christoph Tellmann
Senior Consultant

Angelika Brandl
Aktuarin (DAV / IVS) | Partner Wealth Solutions | Aon
+49 89 52305 4785

Kommentar verfassen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

5 × vier =